Recht und Gesetz

Katzenrecht

Die Spitze des Eisbergs

von | 03. September 2023

Das wah­re Aus­mass der Streu­ner­po­pu­la­tio­nen kennt nie­mand ge­nau. Da­her wer­den in den Ge­mein­den im­mer wie­der die Zah­len dis­ku­tiert, die als eine Grund­la­ge für den Er­lass ei­ner Katzen­schutz­ver­ord­nung die­nen sol­len. Wie vie­le Kat­zen müs­sen es sein, da­mit eine Katzen­schutz­ver­ord­nung recht­mä­ßig er­las­sen wer­den kann? In der Re­gel sind es Zah­len vom eh­ren­amt­li­chen Tier­schutz, die be­trach­tet wer­den. Die­se Zah­len stel­len je­doch we­gen der viel­fäl­ti­gen ein­schrän­ken­den Be­din­gun­gen bei der eh­ren­amt­li­chen Tier­schutz­ar­beit nur die Spit­ze des Eis­bergs dar.

Es gibt kei­ne Mel­de­pflicht für Kat­zen und Be­hör­den ge­hen sel­ten ak­tiv ge­gen das Streu­ner­leid vor. Da­her kann eine Ver­wal­tung Zah­len zu frei­le­ben­den und frei­lau­fen­den Kat­zen nur „aus dem Bauch her­aus“ lie­fern. Eine Sta­tis­tik, wie sie mit der Cat­Tab er­stellt wer­den kann, lässt Bauch­ge­füh­le au­ßen vor.

Für eine Ent­schei­dung müs­sen die­je­ni­gen ge­hört wer­den, die sich seit Jah­ren tag­täg­lich ge­gen das Streu­ner­pro­blem ein­set­zen und da­her Ex­per­tIn­nen sind: Die eh­ren­amt­li­chen StreunerhelferInnen.

Wesentlich!

Nu­me­ri­sche Er­fas­sung nicht not­wen­dig!
Die An­fra­ge an das BMEL (Druck­sa­che 18/118900) vom 07.04.2017: Hier wird un­ter an­de­rem auf den Sei­ten 12 und 13 un­ter Nr. 38 dar­auf ein­ge­gan­gen, dass eine num­me­ri­sche Er­fas­sung von frei­le­ben­den Kat­zen aus Sicht des BMELs nicht not­wen­dig sei, um eine ent­spre­chen­de Ver­ord­nung zu erlassen..

Der Ge­setz­ge­ber de­fi­niert den Be­griff „hohe An­zahl“ nicht.
Auf Grund der Ver­meh­rungs­freu­dig­keit der Kat­zen, kön­nen aus ei­nem fort­pflan­zungs­fä­hi­gem Kat­zen­paar in­ner­halb ei­nes Jah­res mehr als 10 fort­pflan­zungs­fä­hi­ge Kat­zen entstehen.

Wissenswertes zur Erhebung der Daten

Als Ent­schei­dungs­grund­la­ge dür­fen kei­ne au­gen­schein­li­che Wahr­neh­mung der Kat­zen­si­tua­ti­on oder die per­sön­li­chen Ein­stel­lun­gen der Ent­schei­der die­nen. Streu­ner sind sehr scheu und nur dort zu se­hen, wo sie ge­füt­tert wer­den. Bei­spiel­haft fin­den sich Hot­spots an land­wirt­schaft­li­chen Ge­bäu­den, in Gar­ten­ko­lo­nien und in In­dus­trie­an­la­gen. Hier die­nen die Streu­ner häu­fig als Rat­ten- und Mäu­se­fän­ger und sind als sol­che gern ge­se­hen. Sie wer­den manch­mal ge­füt­tert, aber nie tier­ärzt­lich versorgt.

Ordnungsmacht

Da es kei­ne Mel­de­pflicht für Kat­zen gibt, bie­tet sich für ei­nen rea­lis­ti­schen Über­blick über die An­zahl an frei­le­ben­den Kat­zen in ei­nem Ge­biet eine sta­tis­ti­sche Her­an­ge­hens­wei­se an, die auf Hoch­rech­nun­gen des Deut­schen Tier­schutz­ver­bands fußt.

Es gibt kei­ne Vor­schrif­ten, wer Da­ten zu den Streu­ner­po­pu­la­tio­nen zu er­he­ben hat. Es wird nicht vor­ge­schrie­ben, es durch die Ge­mein­de sel­ber zu er­fol­gen hat oder das eine gut­ach­ter­li­che oder amt­li­che Ein­schät­zung be­nö­tigt wird. Viel­mehr sagt der Ge­setz­ge­ber, dass auf Grund der Ver­meh­rungs­freu­dig­keit nur frei­le­ben­de Haus­kat­zen im Ge­mein­de­ge­biet vor­han­den sein müs­sen, die da­mit die Er­for­der­lich­keit ei­ner Re­ge­lung be­grün­den. Als Nach­weis rei­chen Da­ten des lo­ka­len Tier­schut­zes über die Kas­tra­tio­nen der ver­gan­ge­nen Jah­ren. Die­se sind dann gleich­zei­tig der Nach­weis über die er­folg­ten, aber nicht aus­rei­chen­den Maßnahmen.

Auch wenn die An­zahl der Kas­tra­tio­nen von ei­nem Jahr auf das an­de­re sinkt, sagt es nichts über die tat­säch­li­che Kat­zen­po­pu­la­ti­on aus. Streu­ner­hel­fer­In­nen sind eh­ren­amt­lich un­ter­wegs — manch­mal ist es ein ge­bro­che­nes Bein oder ein kran­kes Kind der eh­ren­amt­li­chen Tier­schüt­ze­rIn­nen, die die Zah­len beeinflussen.

Möch­te eine Ver­wal­tung die Zah­len be­wer­ten, müs­sen da­bei ver­schie­den Aspek­te be­dacht werden:

Lokaler Tierschutz

Die Da­ten des lo­ka­len Tier­schut­zes sind nicht als um­fäng­lich zu be­trach­ten, da die eh­ren­amt­li­che Ar­beit von vie­len Fak­to­ren ab­hängt, so bei­spiels­wei­se von:

  • der An­zahl der ak­ti­ve MitstreiterInnen,
  • der fi­nan­zi­el­len Um­setz­bar­keit des Kat­zen­fan­gens und  Mo­ni­to­rings, wenn der Tier­schutz durch Per­so­nal mit Ent­loh­nung be­trie­ben wird, (zum Bei­spiel durch das Per­so­nal des Fund­tier­dienst­leis­ters oder des städ­ti­schen Tierheimes),
  • dem ak­tu­el­len Ge­sund­heits­zu­stand der Eh­ren­amt­le­rIn­nen, um die­se har­te Ar­beit des Kat­zen­fan­gens leis­ten zu können,
  • der per­sön­li­chen fi­nan­zi­el­len Aus­stat­tun­gen der Eh­ren­amt­le­rIn­nen (so sind bei­spiels­wei­se Kon­troll­fahr­ten zum Fang­ort und Fahr­ten zum Tier­arzt in der Re­gel pri­vat fi­nan­ziert), so­wie die ei­nes Ver­ei­nes, der die Kas­tra­ti­ons­ak­tio­nen unterstützt,
  • der Un­ter­stüt­zung durch die Fa­mi­lie der Eh­ren­amt­le­rIn­nen, für die­se nicht im­mer an­ge­neh­me Ver­eins­ar­beit (Bei­spiel: Trans­port „stin­ken­der“ und schwer­kran­ker Tie­re im pri­va­ten Auto und ihre Ver­wah­rung im Ba­de­zim­mer, bis das Tier zum Tier­arzt ge­bracht wer­den kann),
  • der An­zahl der pri­vat Ak­ti­ven, die sich nicht über Ver­ei­ne für Kat­zen­schutz­in­itia­ti­ven en­ga­gie­ren, son­dern aus­schließ­lich in Ei­gen­leis­tung ak­tiv sind (z. B. Nach­barn von Or­ten, wo sich Kat­zen-Hot­spots aus­bil­den) und
  • ge­rin­ger Ak­ti­vi­tät durch feh­len­de Rechts­si­cher­heit, be­grün­det in ei­ner feh­len­den Katzenschutzverordnung.

Bürger und Verwaltung

Es spielt eine gro­ße Rol­le, wenn Bür­ger für das The­ma sen­si­bi­li­siert sind und frei­le­ben­de Kat­zen dem Fund­amt mel­den. Die Sen­si­bi­li­sie­rung ge­schieht meist durch ak­ti­ve Tier­schutz­ver­ei­ne, die ak­ti­ve Mit­glie­der, Fä­hig­kei­ten und Geld für die Auf­klä­rungs­ar­beit haben.

Die Ein­stel­lung der Be­hör­den zum Kat­zen­schutz und wie es mit den Mel­dun­gen um­geht, spie­gelt sich eben­falls in den Da­ten wieder:

  • Wird den Bür­gern kom­mu­ni­ziert „Wir sind für ‚her­ren­lo­se‘ Tie­re (so wer­den Streu­ner oft fälsch­li­cher­wei­se ge­nannt) nicht zu­stän­dig“, wer­den auch we­ni­ger bis kei­ne frei­le­ben­den Fund­kat­zen gemeldet.
  • Wer­den Dienst­leis­ter der Ge­mein­de, die die Fund­tie­re tier­schutz­ge­recht auf­neh­men sol­len, von der Ge­mein­de an­ge­hal­ten, frei­le­ben­de Kat­zen ex­pli­zit als Fund­tie­re — ge­gen die gül­ti­ge Recht­spre­chung — aus­zu­schlie­ßen, kann im Um­kehr­schluss ver­mu­tet wer­den, dass das Streu­ner­pro­blem sehr wohl be­kannt ist. Da­ten zu der Po­pu­la­ti­on von frei­le­ben­den Kat­zen auf Ba­sis so ei­ner Er­he­bung sind wertlos.
  • Hat die Ge­mein­de kei­nen Dienst­leis­ter, der Fund­tie­re tier­schutz­ge­recht auf­nimmt, oder ist der Sitz des Dienst­leis­ters zu weit von der Ge­mein­de ent­fernt, re­du­ziert sich in der Re­gel auch die Be­reit­schaft der Bür­ger­In­nen, Fund­tie­re ab­zu­ge­ben. Bei sol­chen Um­stän­den er­folgt die Auf­nah­me und Ver­sor­gung von Fund­tie­ren dann häu­fig durch lo­ka­le Tier­schutz­ver­ei­ne und pri­vat or­ga­ni­sier­ten Kat­zen­schutz­in­itia­ti­ven. Die Ver­wal­tung be­kom­men da­von häu­fig nichts mit.
  • Ver­bie­tet die Ge­mein­de Fut­ter­stel­len und ver­hin­dert Fut­ter­stel­len für Streu­ner­kat­zen, er­schwert es die Ar­beit des hie­si­ge Tier­schut­zes sehr.
  • Der Bau­hof der Ge­mein­de soll­te nach Tot­fun­den be­fragt werden.

Tierärzte und Haustierregister

Die jähr­li­che An­zahl von be­han­del­ten Haus­kat­zen bei den Tier­ärz­tIn­nen vor Ort, so­wie die An­zahl der re­gis­trier­ten und un­kas­trier­ten Haus­kat­zen aus den Haus­tier­re­gis­tern kön­nen eben­falls ab­ge­fragt werden.

Al­lein die ge­rin­ge An­zahl von re­gis­trier­ten Haus­kat­zen im Ver­hält­nis zur Ge­samt­zahl be­stä­tigt das man­geln­de Ver­ant­wor­tungs­be­wusst­sein vie­ler Kat­zen­hal­te­rIn­nen. Schwer wiegt auch die An­zahl der re­gis­trier­ten und un­kas­trier­ten Haus­kat­zen un­ter dem Blick­win­kel der Ver­meh­rungs­ra­te von Haus­kat­zen. Un­kastrier­te Frei­gän­ger­kat­zen leis­ten ei­nen nicht un­er­heb­li­chen Bei­trag zur Auf­recht­erhal­tung der Fort­pflan­zungs­ket­te auch bei frei­le­ben­den Hauskatzen.

Zah­len der Haus­tier­re­gis­ter zei­gen, dass zir­ka 20 % der re­gis­trier­ten Kat­zen, nicht kas­triert sind. Eine Um­fra­ge von Peta er­gab, dass le­dig­lich 70 % der be­frag­ten Kat­zen­hal­te­rIn­nen es be­für­wor­te­ten, nur kas­trier­ten Kat­zen den Frei­gang zu gewähren.

Fazit

Vie­le Ver­wal­tun­gen sträu­ben sich im­mer noch, ihr In­stru­ment ge­gen das Streu­ner­pro­blem — die Katzen­schutz­ver­ord­nung — zu nut­zen. Die Er­klä­run­gen, war­um es nicht geht, sind viel­zäh­lig, aber nie über­zeu­gend. Da­bei ist es auch eine Auf­ga­be der Be­hör­den, Tier­leid zu ver­hü­ten. Für Tier­schüt­ze­rIn­nen ist es zu­dem nicht nach­zu­voll­zie­hen, wenn im Rah­men ei­nes de­mo­kra­ti­schen Gre­mi­ums ge­gen eine Katzen­schutz­ver­ord­nung und da­mit für Tier­leid ab­ge­stimmt wird.

Dass be­reits seit Jahr­zehn­ten vie­le eh­ren­amt­li­che Hel­fe­rIn­nen mit gro­ßen Auf­wen­dun­gen ge­gen das Kat­zen­leid kämp­fen, ist löb­lich. Nun ist es höchs­te Zeit, dass die Ver­wal­tun­gen ihre Ver­ant­wor­tung wahr­neh­men und dazu bei­tra­gen, das im Grund­ge­setz ver­an­ker­te Staats­ziel „Tier­schutz“ durch den Er­lass ei­ner Katzen­schutz­ver­ord­nung nach §13b TierSchG oder ei­ner Kas­tra­ti­ons­ver­ord­nung nach dem Ord­nungs- und Po­li­zei­recht des Bun­des­lan­des nä­her zu kommen.

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