Das wahre Ausmass der Streunerpopulationen kennt niemand genau. Daher werden in den Gemeinden immer wieder die Zahlen diskutiert, die als eine Grundlage für den Erlass einer Katzenschutzverordnung dienen sollen. Wie viele Katzen müssen es sein, damit eine Katzenschutzverordnung rechtmäßig erlassen werden kann? In der Regel sind es Zahlen vom ehrenamtlichen Tierschutz, die betrachtet werden. Diese Zahlen stellen jedoch wegen der vielfältigen einschränkenden Bedingungen bei der ehrenamtlichen Tierschutzarbeit nur die Spitze des Eisbergs dar.
Es gibt keine Meldepflicht für Katzen und Behörden gehen selten aktiv gegen das Streunerleid vor. Daher kann eine Verwaltung Zahlen zu freilebenden und freilaufenden Katzen nur „aus dem Bauch heraus“ liefern. Eine Statistik, wie sie mit der CatTab erstellt werden kann, lässt Bauchgefühle außen vor.
Für eine Entscheidung müssen diejenigen gehört werden, die sich seit Jahren tagtäglich gegen das Streunerproblem einsetzen und daher ExpertInnen sind: Die ehrenamtlichen StreunerhelferInnen.
Wesentlich!
Numerische Erfassung nicht notwendig!
Die Anfrage an das BMEL (Drucksache 18/118900) vom 07.04.2017: Hier wird unter anderem auf den Seiten 12 und 13 unter Nr. 38 darauf eingegangen, dass eine nummerische Erfassung von freilebenden Katzen aus Sicht des BMELs nicht notwendig sei, um eine entsprechende Verordnung zu erlassen..
Der Gesetzgeber definiert den Begriff „hohe Anzahl“ nicht.
Auf Grund der Vermehrungsfreudigkeit der Katzen, können aus einem fortpflanzungsfähigem Katzenpaar innerhalb eines Jahres mehr als 10 fortpflanzungsfähige Katzen entstehen.
Wissenswertes zur Erhebung der Daten
Als Entscheidungsgrundlage dürfen keine augenscheinliche Wahrnehmung der Katzensituation oder die persönlichen Einstellungen der Entscheider dienen. Streuner sind sehr scheu und nur dort zu sehen, wo sie gefüttert werden. Beispielhaft finden sich Hotspots an landwirtschaftlichen Gebäuden, in Gartenkolonien und in Industrieanlagen. Hier dienen die Streuner häufig als Ratten- und Mäusefänger und sind als solche gern gesehen. Sie werden manchmal gefüttert, aber nie tierärztlich versorgt.
Da es keine Meldepflicht für Katzen gibt, bietet sich für einen realistischen Überblick über die Anzahl an freilebenden Katzen in einem Gebiet eine statistische Herangehensweise an, die auf Hochrechnungen des Deutschen Tierschutzverbands fußt.
Es gibt keine Vorschriften, wer Daten zu den Streunerpopulationen zu erheben hat. Es wird nicht vorgeschrieben, es durch die Gemeinde selber zu erfolgen hat oder das eine gutachterliche oder amtliche Einschätzung benötigt wird. Vielmehr sagt der Gesetzgeber, dass auf Grund der Vermehrungsfreudigkeit nur freilebende Hauskatzen im Gemeindegebiet vorhanden sein müssen, die damit die Erforderlichkeit einer Regelung begründen. Als Nachweis reichen Daten des lokalen Tierschutzes über die Kastrationen der vergangenen Jahren. Diese sind dann gleichzeitig der Nachweis über die erfolgten, aber nicht ausreichenden Maßnahmen.
Auch wenn die Anzahl der Kastrationen von einem Jahr auf das andere sinkt, sagt es nichts über die tatsächliche Katzenpopulation aus. StreunerhelferInnen sind ehrenamtlich unterwegs — manchmal ist es ein gebrochenes Bein oder ein krankes Kind der ehrenamtlichen TierschützerInnen, die die Zahlen beeinflussen.
Möchte eine Verwaltung die Zahlen bewerten, müssen dabei verschieden Aspekte bedacht werden:
Lokaler Tierschutz
Die Daten des lokalen Tierschutzes sind nicht als umfänglich zu betrachten, da die ehrenamtliche Arbeit von vielen Faktoren abhängt, so beispielsweise von:
- der Anzahl der aktive MitstreiterInnen,
- der finanziellen Umsetzbarkeit des Katzenfangens und Monitorings, wenn der Tierschutz durch Personal mit Entlohnung betrieben wird, (zum Beispiel durch das Personal des Fundtierdienstleisters oder des städtischen Tierheimes),
- dem aktuellen Gesundheitszustand der EhrenamtlerInnen, um diese harte Arbeit des Katzenfangens leisten zu können,
- der persönlichen finanziellen Ausstattungen der EhrenamtlerInnen (so sind beispielsweise Kontrollfahrten zum Fangort und Fahrten zum Tierarzt in der Regel privat finanziert), sowie die eines Vereines, der die Kastrationsaktionen unterstützt,
- der Unterstützung durch die Familie der EhrenamtlerInnen, für diese nicht immer angenehme Vereinsarbeit (Beispiel: Transport „stinkender“ und schwerkranker Tiere im privaten Auto und ihre Verwahrung im Badezimmer, bis das Tier zum Tierarzt gebracht werden kann),
- der Anzahl der privat Aktiven, die sich nicht über Vereine für Katzenschutzinitiativen engagieren, sondern ausschließlich in Eigenleistung aktiv sind (z. B. Nachbarn von Orten, wo sich Katzen-Hotspots ausbilden) und
- geringer Aktivität durch fehlende Rechtssicherheit, begründet in einer fehlenden Katzenschutzverordnung.
Bürger und Verwaltung
Es spielt eine große Rolle, wenn Bürger für das Thema sensibilisiert sind und freilebende Katzen dem Fundamt melden. Die Sensibilisierung geschieht meist durch aktive Tierschutzvereine, die aktive Mitglieder, Fähigkeiten und Geld für die Aufklärungsarbeit haben.
Die Einstellung der Behörden zum Katzenschutz und wie es mit den Meldungen umgeht, spiegelt sich ebenfalls in den Daten wieder:
- Wird den Bürgern kommuniziert „Wir sind für ‚herrenlose‘ Tiere (so werden Streuner oft fälschlicherweise genannt) nicht zuständig“, werden auch weniger bis keine freilebenden Fundkatzen gemeldet.
- Werden Dienstleister der Gemeinde, die die Fundtiere tierschutzgerecht aufnehmen sollen, von der Gemeinde angehalten, freilebende Katzen explizit als Fundtiere — gegen die gültige Rechtsprechung — auszuschließen, kann im Umkehrschluss vermutet werden, dass das Streunerproblem sehr wohl bekannt ist. Daten zu der Population von freilebenden Katzen auf Basis so einer Erhebung sind wertlos.
- Hat die Gemeinde keinen Dienstleister, der Fundtiere tierschutzgerecht aufnimmt, oder ist der Sitz des Dienstleisters zu weit von der Gemeinde entfernt, reduziert sich in der Regel auch die Bereitschaft der BürgerInnen, Fundtiere abzugeben. Bei solchen Umständen erfolgt die Aufnahme und Versorgung von Fundtieren dann häufig durch lokale Tierschutzvereine und privat organisierten Katzenschutzinitiativen. Die Verwaltung bekommen davon häufig nichts mit.
- Verbietet die Gemeinde Futterstellen und verhindert Futterstellen für Streunerkatzen, erschwert es die Arbeit des hiesige Tierschutzes sehr.
- Der Bauhof der Gemeinde sollte nach Totfunden befragt werden.
Tierärzte und Haustierregister
Die jährliche Anzahl von behandelten Hauskatzen bei den TierärztInnen vor Ort, sowie die Anzahl der registrierten und unkastrierten Hauskatzen aus den Haustierregistern können ebenfalls abgefragt werden.
Allein die geringe Anzahl von registrierten Hauskatzen im Verhältnis zur Gesamtzahl bestätigt das mangelnde Verantwortungsbewusstsein vieler KatzenhalterInnen. Schwer wiegt auch die Anzahl der registrierten und unkastrierten Hauskatzen unter dem Blickwinkel der Vermehrungsrate von Hauskatzen. Unkastrierte Freigängerkatzen leisten einen nicht unerheblichen Beitrag zur Aufrechterhaltung der Fortpflanzungskette auch bei freilebenden Hauskatzen.
Zahlen der Haustierregister zeigen, dass zirka 20 % der registrierten Katzen, nicht kastriert sind. Eine Umfrage von Peta ergab, dass lediglich 70 % der befragten KatzenhalterInnen es befürworteten, nur kastrierten Katzen den Freigang zu gewähren.
Fazit
Viele Verwaltungen sträuben sich immer noch, ihr Instrument gegen das Streunerproblem — die Katzenschutzverordnung — zu nutzen. Die Erklärungen, warum es nicht geht, sind vielzählig, aber nie überzeugend. Dabei ist es auch eine Aufgabe der Behörden, Tierleid zu verhüten. Für TierschützerInnen ist es zudem nicht nachzuvollziehen, wenn im Rahmen eines demokratischen Gremiums gegen eine Katzenschutzverordnung und damit für Tierleid abgestimmt wird.
Dass bereits seit Jahrzehnten viele ehrenamtliche HelferInnen mit großen Aufwendungen gegen das Katzenleid kämpfen, ist löblich. Nun ist es höchste Zeit, dass die Verwaltungen ihre Verantwortung wahrnehmen und dazu beitragen, das im Grundgesetz verankerte Staatsziel „Tierschutz“ durch den Erlass einer Katzenschutzverordnung nach §13b TierSchG oder einer Kastrationsverordnung nach dem Ordnungs- und Polizeirecht des Bundeslandes näher zu kommen.