Recht und Gesetz

Katzenrecht

Jahrelanges Zählen: Voraussetzung für eine Katzenschutzverordnung?

von | 17. November 2021

Die Hür­den für eine Katzen­schutz­ver­ord­nung er­schei­nen hoch: Muss eine Ge­mein­de tat­säch­lich jah­re­lan­ge Er­he­bun­gen über die Kat­zen­po­pu­la­ti­on und de­ren Zu­stand durch­füh­ren? Da­mit wäre doch ein wirk­sa­mer Kat­zen­schutz für Jah­re hin­aus­ge­zö­gert! Oder ist es doch an­ders und für den Er­lass ei­ner Katzen­schutz­ver­ord­nung ist kein jah­re­lan­ges Zäh­len er­for­der­lich? Die Ant­wort auf die­se Fra­gen ist viel ein­fa­cher als gedacht.

Woher kommt die Ansicht, dass aufwändig gezählt werden muss?

keine Katze in Lauterbach, Hessen

Lau­ter­bach: Es gibt mehr als Katzen.

Neh­men wir ein Bei­spiel vom No­vem­ber 2021: Da soll in Lau­ter­bach (Hes­sen) eine Katzen­schutz­ver­ord­nung ein­ge­führt wer­den. Der An­trag wird in die Stadt­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung ein­ge­bracht, man diskutiert.

Der Bür­ger­meis­ter der Stadt zeich­net in sei­nem De­bat­ten­bei­trag ein Bild von ei­ner „drei bis fünf­jäh­ri­gen, kos­ten­in­ten­si­vem Er­he­bung über die Kat­zen­po­pu­la­ti­on“ als Vor­aus­set­zung für den Er­lass. Kein Wun­der, dass die Be­geis­te­rung bei den Mit­glie­dern sei­ner Par­tei nicht gross war. Der An­trag zur Katzen­schutz­ver­ord­nung wur­de abgelehnt.

Ne­ben der Fra­ge, ob der Bür­ger­meis­ter Recht hat­te mit sei­ner düs­te­ren Be­schrei­bung von Mehr­ar­beit und Kos­ten — die wir gleich klä­ren wer­den — ist zu­erst ein­mal in­ter­es­sant, wo­her er sei­ne In­for­ma­tio­nen hat­te. Ohne viel zu su­chen stösst man in Hes­sen auf die of­fi­zi­el­len FAQ zu den Vor­aus­set­zun­gen ei­ner Katzen­schutz­ver­ord­nung, her­aus­ge­ge­ben vom Land.

Dort kann man un­ter An­de­rem fol­gen­des Pro­ze­de­re nachlesen:

Zu­nächst er­folgt die Prü­fung, ob die Stadt / Ge­mein­de über­haupt be­trof­fen und das Pro­blem vor­han­den ist.

  1. Prü­fung und Be­leg, dass eine hohe Zahl (Po­pu­la­ti­on) an frei­le­ben­den Kat­zen im Stadt- / Ge­mein­de­ge­biet vor­han­den ist und Fest­stel­lung der er­heb­li­chen Schmer­zen, Lei­den oder Schä­den bei den Tie­ren (nicht für je­des Ein­zel­tier son­dern all­ge­mein zu begründen).

Quel­le: Hes­si­sches Mi­nis­te­ri­um für Um­welt, Kli­ma­schutz, Land­wirt­schaft und Ver­brau­cher­schutz, FAQ-Pa­pier – Um­set­zung des § 13b Tier­schutz­ge­setz (TierSchG) in Hes­sen, 2015 (zu­letzt ab­ge­ru­fen am 24.12.2022)

Prü­fung und Be­leg — Vor­schlä­ge wie hier vor­ge­gan­gen wer­den soll­te, ste­hen im zu­vor ge­nann­ten FAQ-Papier.

Das Bundesministerium hat’s 2017 klargestellt

Die­se An­sicht, die sich der Lau­ter­ba­cher Bür­ger­meis­ter zu ei­gen ge­macht hat, ist ver­al­tet, ja falsch und kon­tra­pro­duk­tiv, denn es gibt eine deut­li­che Aus­sa­ge des zu­stän­di­gen Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Er­näh­rung und Land­wirt­schaft (BMEL) dazu. Als Re­ak­ti­on auf eine An­fra­ge der Grü­nen im Bun­des­tag (Deut­scher Bun­des­tag, Druck­sa­che 18/11890, sie­he dort: Sei­te 12 f.) ga­b’s die­se Ant­wort des Ministeriums:

[Es] wur­de pro­ble­ma­ti­siert, dass der Be­stand wild­le­ben­der Kat­zen erst nu­me­risch er­fasst wer­den müs­se, um ab ei­ner kri­ti­schen An­zahl Mass­nah­men er­grei­fen zu kön­nen. Aus Sicht des BMEL be­steht eine der­ar­ti­ge Pflicht nicht.

Her­vor­he­bung durch Po­li­tik für die Katz‘

Die miss­ver­ständ­li­chen FAQ aus Hes­sen hät­ten also längst über­ar­bei­tet wer­den müs­sen, da­mit sol­che Fehl­in­ter­pre­ta­tio­nen nicht pas­sie­ren können.

Konkrete Auswirkungen

Was be­deu­tet aber die­se Aus­sa­ge des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums in der Pra­xis? Für Kom­mu­nen er­gibt sich:

  1. Eine Katzen­schutz­ver­ord­nung man­gels aus­rei­chen­der Zah­len auf­zu­schie­ben oder gar ab­zu­leh­nen, das ist spä­tes­tens nach die­ser Klar­stel­lung des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums nicht mehr möglich.
  2. Si­cher­lich ist es für eine Kom­mu­ne wich­tig, zu er­ken­nen, ob es über­haupt be­trof­fe­ne Kat­zen­po­pu­la­tio­nen auf ih­rem Ge­biet gibt — aber die­se Aus­künf­te kön­nen lo­ka­le Tier­hei­me und Tier­schüt­ze­rIn­nen je­der­zeit geben.

Kat­zen sind nicht im­mer so sicht­bar wie hier.

Wir ge­hen so­gar noch ei­nen Schritt wei­ter: Rea­lis­tisch be­trach­tet kann man Punkt 2 ver­nach­läs­si­gen, denn: Nach un­se­rer jah­re­lan­gen Er­fah­rung im Kat­zen­schutz ist es rea­li­täts­fremd, wenn eine Kom­mu­ne da­von aus­geht, nicht von der Pro­ble­ma­tik be­trof­fen zu sein — und auf­grund die­ser fal­schen An­nah­me nicht tä­tig wird.

Ge­ra­de in der länd­li­chen Re­gio­nen wis­sen alle im Tier­schutz En­ga­gier­ten, dass es ge­fähr­de­te Kat­zen­po­pu­la­tio­nen auf Hö­fen, in Schup­pen und leer­ste­hen­den Ge­bäu­den gibt. Lo­ka­le Tier­schüt­ze­rIn­nen ken­nen die­se Fäl­le — und wis­sen, dass es sich nicht um Ein­zel­fäl­le handelt.

Es wäre also ein sehr un­wahr­schein­li­cher, glück­li­cher Zu­fall, wenn es in ei­ner länd­li­chen Re­gi­on kei­ne be­trof­fe­ne Kat­zen­po­pu­la­ti­on gäbe.

Katzenschutzverordnung: kein jahrelanges Zählen

Fazit

Wer im Jahr 2021 noch da­mit ar­gu­men­tiert, dass die Vor­aus­set­zung ei­ner Katzen­schutz­ver­ord­nung jah­re­lan­ge und kos­ten­in­ten­si­ve Er­he­bungs­mass­nah­men sei­en, die oder der kennt sich ent­we­der in der Ma­te­rie nicht aus — oder will schlicht auf­grund nicht tier­schutz­kon­for­mer Grün­de eine sol­che Ver­ord­nung ver­hin­dern. Be­dau­er­li­cher­wei­se herrscht — ge­ra­de im länd­li­chen Be­reich — aber in man­chen Krei­sen im­mer noch ein Ver­ständ­nis von Tier­schutz, das dem heu­ti­gen Stand nicht mehr entspricht.

Dem müs­sen ver­stärkt Auf­klä­rung und Ar­gu­men­te ent­ge­gen ge­setzt werden.

-fj

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