Ganz konkret: Wer ist zuständig für eine Fundkatze? Diese Frage ist tatsächlich seit Jahren vom Bundesverwaltungsgericht geklärt. Aus dessen Grundsatzentscheidung von 2018 ergibt sich eindeutig, dass die jeweilige Kommune, auf deren Gebiet das Tier gefunden wurde, sich um eine gefundene Katze kümmern muss.
So einfach kann die Welt sein — aber natürlich ist es keine Überraschung, dass immer wieder versucht wird, diesen klaren Sachverhalt auszuhebeln. Es sind in der Regel einzelne Kommunen, die von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nichts wissen wollen. Immer wieder erleben wir diese „Argumentation“:
„Es gibt zur Zuständigkeit für Fundtiere andere Urteile als das des Bundesverwaltungsgerichts. Wir halten uns an diese anderen Urteile.“
Wir können ganz deutlich festhalten: So geht das nicht, denn ein solcher Standpunkt steht nicht im Einklang mit unserem Rechtssystem. Mit deutlicheren Worten (und die sind wohl manchmal nötig): Keine Kommune darf „einfach mal eben so“ von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts abweichen.
Abweichen bedeutet: detailliert begründen warum!
In unserem Rechtssystem gibt es zwar keine rechtliche Bindung an ein Urteil über die beteiligten Parteien hinaus, aber das bedeutet nicht, dass sich ein anderes Gericht oder eine Behörde „einfach so“ über höchstgerichtliche Rechtsprechung hinwegsetzen darf. Bei der Behandlung von Fundkatzen haben wir genau so einen Fall: Eine Fundbehörde hat sich grundsätzlich an dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu orientieren! Will sie im Einzelfall trotzdem davon abweichen, so muss sie detailliert darlegen, warum sie der Ansicht ist, dass in diesem Fall anders entschieden werden muss.
Ganz eindeutig reicht es dafür nicht aus, unkommentiert auf Urteile von unteren Gerichten zu verweisen, die keinen Grundsatzcharakter haben. In der Regel sind die herangezogenen Urteile auch noch älter als das Bundesverwaltungsgerichtsurteil von 2018.
Aber selbst wenn sich Behörden auf Urteile nach 2018 beziehen, so ist auch hier in jedem Fall darzulegen, worin genau dieses Urteil auf den zu entscheidenden Einzelfall zutrifft — und warum das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts hier nicht zutreffen soll. Uns ist kein Fall bekannt, in dem eine solche detaillierte Begründung vorgenommen wurde.
Dass diese unverantwortliche Haltung davon getrieben ist, dass der Behördenapparat „den längeren Atem“ hat und dass es für die Betroffenen ein langer und beschwerlicher Weg ist, sich gegen dieses offensichtliche (!) Unrecht zur Wehr zu setzen, liegt für uns auf der Hand.
Fazit
Um es nochmal klar zu festzuhalten:
Seit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts im April 2018 (3 C 24.16)1 gab es keine weitere höchstgerichtliche Rechtsprechung zum Thema Fundtiere. Daher ist das Urteil mit der darin beschrieben Rechtsauslegung von den Verwaltungsbehörden grundsätzlich anzuwenden.
Will eine Behörde davon abweichen, so hat sie dies fachlich und im Detail zu begründen.
Für den Katzenschutz ist das Urteil wichtig, denn es bestätigt, dass Haustiereigentümer auch dann noch Eigentümer des Haustieres sind, wenn sie es aussetzen.2 Aufgefundene Haustiere sind in jedem Fall als „Anscheinsfundsachen“ zu behandeln.3 Damit sind die Fundbehörden zuständig.
Überforderung oder Rechtsbeugung?
Verwaltungen, die wie oben argumentieren, sind entweder fachlich überfordert oder beugen ganz bewusst unser Recht.
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von 2018 beschäftigt sich ausführlich mit dem Sachverhalt „verwildertes Haustier“. Es ist klar begründet und eindeutig. Es gibt keine neuere Rechtsprechung oder gar neue Vorschriften zum fraglichen Sachverhalt. Das Urteil ist in Bezug auf den dort umfassend behandelten Fundtierstatus als Grundsatzurteil einzustufen. Daran haben sich Untergerichte und Behörden zu orientieren. Ignorieren dürfen sie es nicht.
Kommt eine Behörde trotzdem auf die Idee, sich auf andere Urteile zu beziehen, um sich aus ihrer Pflicht zum Umgang mit Fundtieren zu stehlen, so muss sie darlegen, warum sie das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in diesem Fall nicht berücksichtigen will.
Wir kennen keinen Fall, in dem das getan wurde. Natürlich kann es sein, dass eine Behörde überfordert ist und keine Kenntnis von dem Urteil hat. Eine andere Erklärung wäre, dass eine bewusste Rechtsbeugung vorliegt, um eine unbeliebte, weil kostenintensive, kommunale Aufgabe nicht zu erfüllen.
- Link zum Urteil: BVerwG, Urteil vom 26.04.2018 - 3 C 24.16 - ↩
- erster Leitsatz aus dem hier behandelten Urteil: Die Dereliktion eines Tieres, die gegen das tierschutzrechtliche Aussetzungsverbot (§ 3 Satz 1 Nr.3 TierSchG) verstößt, ist nichtig (§134 BGB). ↩
- zweiter Leitsatz aus dem hier behandelten Urteil: Von einer Fundsache ist auszugehen, wenn Eigentum an einer besitzlosen Sache nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Das gilt entsprechend für Fundtiere (§ 90a BGB). ↩