Aktueller Stand
Nach fast 14 Jahren (!) hat man es in Mannheim endlich geschafft: Die im Dezember 2022 beschlossene und völlig unzureichende Katzenschutzverordnung ohne Kastrationsgebot wurde im Februar 2024 um eben diese Kastrationspflicht erweitert. Sie gilt ab 1. Oktober 2024.
Der Fall Mannheim — endlos?
Es gab bereits viele Diskussionen zum Thema „Katzenleid“ in Mannheim. Der Amtsschimmel will aber ganz sicher sein und keine unüberlegte Entscheidung in Sachen Katzenschutzverordnung treffen. Während des Jahrzehnts der Untersuchungen verendeten viele Streuner elendig. Natürlich wurde auch vielen Tieren geholfen — aber überwiegend von privat organisierten TierschützerInnen.
Die Geschichte der Mannheimer Katzenschutzverordnung ist lang. Wir haben sie hier in chronologischer Reihenfolge dokumentiert.
2010
6. August 2010
Die Grünen stellen eine Anfrage im Gemeinderat. (Das Dokument liegt uns nur in schlechter Qualität vor.)
2011
September 2011
Antwort auf Anfrage der Grünen vom 12.10.2010: Die Verwaltung beauftragt den Tierschutzverein (TSV) Mannheim damit, systematisch weiter wild lebende Katzen zu kastrieren. Die Verwaltung stellt für die dadurch entstehenden Kosten eine Finanzierungsanfrage bei der Anna-Maria-von-Schrader-Stiftung. Uns liegen keine Informationen darüber vor, was daraus geworden ist
2012
Es gab keine uns bekannte Aktivität.
2013
Es gab keine uns bekannte Aktivität.
2014
1. April 2014
Die Mannheimer Grünen stellen einen Antrag auf Einführung einer Katzenschutzverordnung.
25. November 2014
Die Stadt Mannheim lehnt die Einführung einer Katzenschutzverordnung (KaSchV) ab. Dazu legt sie ein Informationsblatt mit dem Titel „Verzicht auf Erlass einer Katzenschutzverordnung“ vor.
Man ist der Meinung, dass die Populationen durch Kastrastionen zu steuern seien. Zudem sei kein Leid zu erkennen. Auch der Tierschutzverein (TSV) bestätigt, so die Informationsschrift, dass eine KaSchV nicht notwendig sei.
Später wird sich herausstellen, dass die Position der Stadt und des TSV sich als nicht haltbar herausstellen.
2015
März 2015
Zeitungsbericht: „Die wilden Katzen von Coleman“
Der Tierschutzverein kümmert sich um die Streuner auf dem US-Gelände. Herbert Rückert, Vorsitzende des Tierschutzvereins wird zitiert: „Bis zu 150 wilde Katzen tigern allein durch die ehemaligen US-Kasernen in Mannheim. Insgesamt sind es in der Stadt rund 1.000“, so schätzt Rückert. Sie leben auf Industriegeländen, in Kleingartenanlagen und auf den ehemaligen Militärflächen.
2016
Es gab keine uns bekannte Aktivität.
2017
Es gab keine uns bekannte Aktivität.
2018
2018
Private Tierschützer sammeln von der Stadt angeforderte Daten zur Erfassung der Streunersituation.
2019
2019
Kristina Stumpf startet eine Petition an die Stadt, die sich endlich um die Streunerkatzen kümmern soll.
November 2019
Die Gemeinderatsfraktion Li.PAR.Tie. stellt einen erneuten Antrag auf eine Katzenschutzverordnung. Der Antrag steht im Dezember auf der Tagesordnung des Gemeinderats. Er wird in den Ausschusses für Sicherheit und Ordnung verwiesen.
Dezember 2019
Ein Tierschutzfond mit jährlich 60.000 € wird eingerichtet. Wildtiere und explizit Katzenkastration werden als Verwendungszweck genannt.
2020
Es gab keine uns bekannte Aktivität.
2021
Februar 2021
Zeitungsartikel: Kommt die Katzenschutz-Verordnung?
Der Mannheimer Tierheimleiter Herbert Rückert fordert so schnell wie möglich die Katzenschutzverordnung, um das Leid der Streuner zielgerichtet einzudämmen. Sein Tierschutzverein jedenfalls sei bereit, bei notwendigen Einfangmaßnahmen und Kastrationen mitzumachen, so Rückert. Schätzungsweise 500 streunende Tiere sollen im Stadtgebiet leben.
Mai 2021
Die Stadt Mannheim fordert im Amtblatt zum Datensammeln über Streunerkatzen auf.
2022
April 2022
Politik für die Katz‘ bittet um Mithilfe bei der Sammlung von Daten zu Streunern in Mannheim. Mannheimer KatzenschützerInnen meldeten binnen kurzer Zeit diverse Katzenfutterstellen und Hotspots. Diese Katzenpopulationen wurden auf der CatMap eingetragen — insgesamt mehr als 410 Katzen.
Es ist erfahrungsgemäss nicht davon auszugehen, dass alle freilebenden Katzen erfasst werden. Die wahren Zahlen liegen deshalb viel höher.
27. April 2022
Ehrenamtliche KatzenschützerInnen schicken einen Brief an Oberbürgermeister Peter Kurz: Mannheim braucht eine Katzenschutzverordnung!
29. April 2022
Antwort aus dem Rathaus: Das Schreiben wurde an den Ersten Bürgermeister Christian Specht mit der Bitte weitergeleitet, sich der Sache anzunehmen.
29. Mai 2022
Die Initiative Katzenschutzverordnung LK Stade schreibt die Stadt Mannheim an und weist auf die inkorrekte Formulierung zum Thema Fundtiere hin.
Im November können wir das korrigierte Ergebnis auf der Mannheimer Webseite feststellen: Der unrichtige Vermerk zur Ausgrenzung von bestimmten Katzen als Fundtiere wurde entfernt.
24. September 2022
Es wurde ein Informationstag zum Thema „Katzenschutzverordnung“ in der Mannheim Innenstadt von ehrenamtlichen KatzenschützerInnen organisiert.
18. Oktober 2022
Die Stadt Mannheim veröffentlicht eine Beschlussvorlage. Diese verdient die Bezeichnung „Katzenschutzverordnung“ nicht, denn sie drückt sich um eine Kastrationspflicht für freilaufende Katzen.
5. November 2022
RON TV Interviewt Kristina Stumpf, eine ehrenamtliche Katzenschützerin, die sich für einen Katzenschutzverordnung stark engagiert. Der Bericht fasst die Situation gut zusammen.
13. Dezember 2022
Der Gemeinderat stimmte für die Beschlussvorlage der Stadt Mannheim — in der allerdings die Kastrationspflicht fehlt. Nun „rühmt“ sich Mannheim also einer Katzenschutzverordnung, die tatsächlich den Namen nicht verdient.
Vorausgegangen war ein politisches Trauerspiel, ein halbherziges Vorgehen mit vorgeschobenen Gründen. Man kuschte in Mannheim vor dem angekündigten Veto des Bürgermeisters gegen eine „echte“ Katzenschutzverordnung. Ein eigener, ausformulierter Antrag einer Fraktion lag nicht vor. Den Mut zu Ergänzungsanträgen zur städtischen Beschlussvorlage der Stadt hatte man nicht.
„Lieber den Spatz in der Hand“, so lautete die Stellungnahme der Fraktionen von Li.PAR.Tie. Die Empörung in der Tierschützerszene Mannheims war darüber gross. Hier hatte man sich ein energischeres Vorgehen gewünscht.
Letztlich sind alle BefürworterInnen einer Katzenschutzverordnung vor einer Drohgebärde des Mannheimer Bürgermeisters eingeknickt. Was bleibt, ist ein schaler Beigeschmack in Sachen Demokratie. Die Mehrheit (!) im Gemeinderat verzichtete auf die richtige Entscheidung, weil ein uneinsichtiger Bürgermeister sich querstellen wollte.
Ob das angekündigte Vorgehen — ein schnelles Aufgreifen des Thema im Jahr 2023 im Gemeinderat — so umgesetzt werden wird, bleibt abzuwarten. Nimmt man die bisherigen Mannheimer Erfahrungen als Grundlage, so ist nicht mit einer zügigen Umsetzung zu rechnen.
2023
Januar 2023
Wir warten auf die angekündigten Aktivitäten, mit denen die „Spatz-in-der-Hand-Version“ der Verordnung um die Kastrationspflicht erweitert werden soll.
April 2023
Im Umfeld der Beschlussfassung des Gemeinderats wurde die Einrichtung eines runden Tischs in Aussicht gestellt. Politik für die Katz‘ hat am zweiten Termin dieser Veranstaltung (im Online-Format) teilgenommen. Unsere Erkenntnis: Der Frust der TierschützerInnen in Mannheim ist sehr gut nachzuvollziehen.
Unter der Leitung von Peer-Kai Schellenberger (Abteilungsleitung des Fachbereichs Sicherheit und Ordnung) wurde eine Alibi-Veranstaltung abgehalten. Es wurde belanglos über Einzelfälle diskutiert anstatt ernsthaft nachhaltigen Katzenschutz in Angriff zu nehmen. Kritische Fragen oder Anmerkungen waren unerwünscht. Ihnen wurde mit billigen Allgemeinplätzen entgegnet.
Das eigentliche Thema — die Einführung einer vollumfänglichen Katzenschutzverordnung — wurde mehrfach verbissen blockiert. Dabei war die Allianz der Stadt aus Schellenberger, der Amtsveterinärin und der ehrenamtlichen Tierschutzbeauftragten offenkundig. Gemeinsam versuchte man, eine Diskussion über die Einführung einer Kastrationspflicht für Freigängerkatzen zu verhindern.
Auf trotzdem erfolgte Nachfragen war insbesondere die mehrfache Äusserung von Schellenberger, man könne keine Kastrationspflicht anordnen, solange diese nicht „rechtssicher“ erlassen werden könne, aufschlussreich. Sie belegte die tatsächliche Absicht: die Verhinderung einer „echten“ Kastrationsverordnung. Als Beleg für seine Ansicht war sich Schellenberger nicht zu schade, die Arbeit der Politessen zu bemühen, die ja auch nicht alle FalschparkerInnen erwischen würden. Abgesehen davon, dass diese Analogie rein gar nichts mit „Rechtssicherheit“ zu tun hat: Wäre es um die Verkehrsdisziplin in Mannheim besser bestellt, wenn es dort keine Strassenverkehrsordnung gäbe? Eine absurde Logik verbreitete der Mannheimer Leiter für Sicherheit und Ordnung da!
Die teilnehmende Amtsveterinärin „glänzte“ nicht weniger mit ihrer wiederholt geäusserten Position, dass die rechtlichen Voraussetzungen in Stadt und Land eben anders seien — und man in Mannheim deswegen keine Kastrationspflicht einführen könne. War das Verzweiflung oder schlicht völlige Ahnungslosigkeit? Aus Sicht von PfdK war es eigentlich an der Zeit, diese Veranstaltung zu verlassen. Aus Solidarität mit den KatzenschützerInnen blieben wir.
Wie wenig ernst man seitens der Stadt diesen runden Tisch nimmt und wie unprofessionell die Vorgehensweise ist, wird ebenfalls dadurch deutlich, dass den Teilnehmenden eine Tagesordnung erst auf Nachfrage zur Verfügung gestellt wurde. Diese handwerkliche mangelhafte Vorgehensweise bestätigt den Eindruck, den wir gewinnen mussten: Der runde Tisch ist in dieser Form und Besetzung nicht dazu geeignet, der Verpflichtung des grundgesetzlich verankerten Staatsziels Tierwohls nachzukommen.
Das Gegenteil ist der Fall.
9. Mai 2023
Im einigen Wochen steht die OberbürgermeisterInnenwahl in Mannheim an. Wir haben das zum Anlass genommen, bei den KandidatInnen nachzufragen, wie sie sich zum Thema Katzenschutz positionieren. Ausnahme: Von Ugur Cakir, unabhängiger Kandidat und SPD-Mitglied, konnten wir keine Kontaktdaten finden.
Wir sind gespannt auf die Antworten und werden unter anderem hier darüber berichten.
Wir haben nachgefragt bei:
- Isabell Belser, Die Linke
- Thomas Bischoff, Die Partei
- Raymond Fojkar, Bündnis 90 Die Grünen
- Tanja Krone, parteilos
- Thorsten Riehle, SPD
- Christian Specht, CDU
Keine Kontaktdaten haben wir von:
- Ugur Cakir, unabhängiger Kandidat
- Daniel Frey (parteilos) tauchte für uns unvermittelt um den 20. Mai 2023 in der KandidatInnen-Übersicht auf. Ausser seinem Namen haben wir keine weitere Informationen.
Hier finden Sie den Text unserer Anfrage und das begleitende Situationspapier:
Einen Blog-Artikel zum Sachverhalt haben wir ebenfalls verfasst:
14. Mai 2023
Heute kam die erste Antwort eines OB-Kandidaten herein: Christian Specht, CDU, antwortete ausführlich auf unsere Fragen. Er stellt sich auf eine Linie mit dem aktuellen OB Kurz (SPD), der aus nicht nachvollziehbaren rechtlichen Gründen gegen eine Kastrationspflicht für Freigängerkatzen ausspricht. Zitat Specht: „Eine weitergehende Kastrationspflicht ist rechtlich derzeit noch nicht möglich.“
16. Mai 2023
Thomas Bischoff, Die Partei, antwortete bemerkenswert sparsam auf unsere Fragen. Seine pseudo-witzigen Versuche zu einem Thema, bei dem Lebewesen erbärmlich leiden, wirken befremdlich.
24. Mai 2023
Die Antwort von Thorsten Riehle, SPD, ging ein. Er positioniert sich in der Sache bisher am deutlichsten — bemerkenswerterweise sogar gegen die Verhinderungsbemühungen seines SPD-Parteikollegen und jetzigem OB Kurz.
25. Mai 2023
Eingeschoben: Zwischen den Antworten der KandidatInnen
Wir haben einen weiteren Blog-Artikel zum Mannheimer Trauerspiel veröffentlicht:
26. Mai 2023
Die Antwort von Isabell Belser, Die Linke, ging ein. Sie hat ausführlich geantwortet und steht für eine vollumfängliche Katzenschutzverordnung. Allerdings zeigt eine Ihrer Antworten, dass sie den Sachverhalt nicht durchdrungen hat (siehe Antwort zu Frage 2 und die von ihr erwähnte „Kastrationspflicht für Streunerkatzen“).
29. Mai 2023
Die Antwort von Tanja Krone (parteilos), ging ein. Sie hat die Fragen allerdings nicht beantwortet, sondern einen frei formulierten Text geschrieben. Bis auf einen oder zwei Nebensätze, die wohl eher zufällig eingestreut sind, beschäftigt sie sich nicht mit dem Thema Katzenschutzverordnung.
Erinnerungen an die Schule werden wach: Thema verfehlt.
26. September 2023
Die Mannheimer Grünen stellen einen Antrag auf Aufnahme der Kastrationspflicht in die Katzenschutzverordnung.
20. September 2023
Die Mannheimer SPD beantragt die Aufnahme der Kastrationspflicht in die Katzenschutzverordnung.
19. September 2023
Die Li.Par.Tie stellt einen Antrag auf Aufnahme der Kastrationspflicht in die Katzenschutzverordnung.
2024
Februar 2024
Der Gemeinderat hat eindlich eine „echte“ Katzenschutzverordnung beschlossen. Ab 1. Oktober 2024 in Mannheim nun auch eine Kastrationspflicht für Freigängerkatzen.