Die Hürden für eine Katzenschutzverordnung erscheinen hoch: Muss eine Gemeinde tatsächlich jahrelange Erhebungen über die Katzenpopulation und deren Zustand durchführen? Damit wäre doch ein wirksamer Katzenschutz für Jahre hinausgezögert! Oder ist es doch anders und für den Erlass einer Katzenschutzverordnung ist kein jahrelanges Zählen erforderlich? Die Antwort auf diese Fragen ist viel einfacher als gedacht.
Woher kommt die Ansicht, dass aufwändig gezählt werden muss?
Nehmen wir ein Beispiel vom November 2021: Da soll in Lauterbach (Hessen) eine Katzenschutzverordnung eingeführt werden. Der Antrag wird in die Stadtverordnetenversammlung eingebracht, man diskutiert.
Der Bürgermeister der Stadt zeichnet in seinem Debattenbeitrag ein Bild von einer „drei bis fünfjährigen, kostenintensivem Erhebung über die Katzenpopulation“ als Voraussetzung für den Erlass. Kein Wunder, dass die Begeisterung bei den Mitgliedern seiner Partei nicht gross war. Der Antrag zur Katzenschutzverordnung wurde abgelehnt.
Neben der Frage, ob der Bürgermeister Recht hatte mit seiner düsteren Beschreibung von Mehrarbeit und Kosten — die wir gleich klären werden — ist zuerst einmal interessant, woher er seine Informationen hatte. Ohne viel zu suchen stösst man in Hessen auf die offiziellen FAQ zu den Voraussetzungen einer Katzenschutzverordnung, herausgegeben vom Land.
Dort kann man unter Anderem folgendes Prozedere nachlesen:
Zunächst erfolgt die Prüfung, ob die Stadt / Gemeinde überhaupt betroffen und das Problem vorhanden ist.
- Prüfung und Beleg, dass eine hohe Zahl (Population) an freilebenden Katzen im Stadt- / Gemeindegebiet vorhanden ist und Feststellung der erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden bei den Tieren (nicht für jedes Einzeltier sondern allgemein zu begründen).
- …
Quelle: Hessisches Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, FAQ-Papier – Umsetzung des § 13b Tierschutzgesetz (TierSchG) in Hessen, 2015 (zuletzt abgerufen am 24.12.2022)
Prüfung und Beleg — Vorschläge wie hier vorgegangen werden sollte, stehen im zuvor genannten FAQ-Papier.
Das Bundesministerium hat’s 2017 klargestellt
Diese Ansicht, die sich der Lauterbacher Bürgermeister zu eigen gemacht hat, ist veraltet, ja falsch und kontraproduktiv, denn es gibt eine deutliche Aussage des zuständigen Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) dazu. Als Reaktion auf eine Anfrage der Grünen im Bundestag (Deutscher Bundestag, Drucksache 18/11890, siehe dort: Seite 12 f.) gab’s diese Antwort des Ministeriums:
[Es] wurde problematisiert, dass der Bestand wildlebender Katzen erst numerisch erfasst werden müsse, um ab einer kritischen Anzahl Massnahmen ergreifen zu können. Aus Sicht des BMEL besteht eine derartige Pflicht nicht.
Hervorhebung durch Politik für die Katz‘
Die missverständlichen FAQ aus Hessen hätten also längst überarbeitet werden müssen, damit solche Fehlinterpretationen nicht passieren können.
Konkrete Auswirkungen
Was bedeutet aber diese Aussage des Bundesministeriums in der Praxis? Für Kommunen ergibt sich:
- Eine Katzenschutzverordnung mangels ausreichender Zahlen aufzuschieben oder gar abzulehnen, das ist spätestens nach dieser Klarstellung des Bundesministeriums nicht mehr möglich.
- Sicherlich ist es für eine Kommune wichtig, zu erkennen, ob es überhaupt betroffene Katzenpopulationen auf ihrem Gebiet gibt — aber diese Auskünfte können lokale Tierheime und TierschützerInnen jederzeit geben.
Wir gehen sogar noch einen Schritt weiter: Realistisch betrachtet kann man Punkt 2 vernachlässigen, denn: Nach unserer jahrelangen Erfahrung im Katzenschutz ist es realitätsfremd, wenn eine Kommune davon ausgeht, nicht von der Problematik betroffen zu sein — und aufgrund dieser falschen Annahme nicht tätig wird.
Gerade in der ländlichen Regionen wissen alle im Tierschutz Engagierten, dass es gefährdete Katzenpopulationen auf Höfen, in Schuppen und leerstehenden Gebäuden gibt. Lokale TierschützerInnen kennen diese Fälle — und wissen, dass es sich nicht um Einzelfälle handelt.
Es wäre also ein sehr unwahrscheinlicher, glücklicher Zufall, wenn es in einer ländlichen Region keine betroffene Katzenpopulation gäbe.
Fazit
Wer im Jahr 2021 noch damit argumentiert, dass die Voraussetzung einer Katzenschutzverordnung jahrelange und kostenintensive Erhebungsmassnahmen seien, die oder der kennt sich entweder in der Materie nicht aus — oder will schlicht aufgrund nicht tierschutzkonformer Gründe eine solche Verordnung verhindern. Bedauerlicherweise herrscht — gerade im ländlichen Bereich — aber in manchen Kreisen immer noch ein Verständnis von Tierschutz, das dem heutigen Stand nicht mehr entspricht.
Dem müssen verstärkt Aufklärung und Argumente entgegen gesetzt werden.
-fj