Es war einer dieser Momente, in denen ich die Politikverdrossenheit vieler Menschen mit Händen greifen konnte. Im Dezember 2022 zogen die BefürworterInnen einer Katzenschutzverordnung im Mannheimer Stadtrat ängstlich ihre Schwänze ein, als es um das Kernstück der Verordnung ging: das Kastrationsgebot. Es war zum Verzweifeln! Wird nach der Wahl des neuen Stadtoberhaupts im Juni 2023 nun alles besser werden?
Das Motto der im Stadtrat sitzenden UnterstützerInnen einer Katzenschutzverordnung für Mannheim lautete: Besser den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach. Es waren — wieder einmal: wir kennen das Verhalten aus anderen Kommunen — diejenigen PolitikexpertInnen am Werk, die mit bangen Büxen kleine Schritte machen. Deren „Vision“ von Tierschutz bestand darin, nur nichts falsch und das möglichst leise zu machen.
Courage? Fehlanzeige!
Genau so wünschen sich enthusiatische BürgerInnen eine zukunftsorientierte, frische und verantwortungsvolle Politik! Statt einer harten, öffentlichen und inhaltlichen Diskussion (die man mit ein wenig Sachverstand nicht verlieren kann) wurden vorsichtige Anträge ohne Biss geschrieben und es wurde vor allem: laaange gewartet. Worauf? Man weiss es nicht.
Herrje, ja: Im Ländle haben BürgermeisterInnen so etwas wie ein Vetorecht (§ 43 Abs. 2 Gemeindeordnung für Baden-Württemberg) — aber ist das tatsächlich die Lizenz dafür, dass gewählte StadträtInnen vor einem wohl in Hinterzimmern angedrohten Veto des Oberbürgermeisters kuschen? Insbesondere, wenn die inhaltliche Diskussion in 50 anderen Gemeinden des Ländles und in mehr als 1.000 in der ganzen Republik dazu geführt hat, dass dort echte Katzenschutzverordnungen eingeführt wurden?
Liebe Stadträte und StadträtInnen, gleich welcher Couleur: Wenn ihr das Vertrauen der Menschen in eine funktionierende Demokratie weiter erschüttern wollt, dann macht einfach weiter so. Es wird euch gelingen!
Die Katze stirbt vor der Hoffnung
Nun wird am 18. Juni die Wahl zum neuen Oberhaupt Mannheims stattfinden. Sieben KandidatInnen ringen um das Amt. Das gibt erst einmal Hoffnung — und nach all dem Frust einer unsäglichen, mehr als zehnjährigen Misserfolgsgeschichte in Sachen Katzenschutzverordnung für Mannheim wollen wir die nicht fahren lassen.
Allerdings: Natürlich ist das Thema in Anbetracht der vielen anderen Probleme für die vielen KandidatInnen offenbar völlig nebensächlich — uns ist nicht eine Stellungnahme der glorreichen Sieben zur Katzenschutzverordnung bekannt. Unwichtig, so könnte man denken, wenn man das im Grundgesetz verankerte Tierwohl (Artikel 20a GG) als Nebensache einstuft und sich deshalb einfach nicht darum kümmern will.
Hunderte erbärmlich leidende oder tote Katzen in Mannheim werden so zum Kollateralschaden. Das Grundgesetz soll sich mal nicht so haben.
Sechs Mails an sieben KandidatInnen
Da sich bisher niemand der sieben KandidatInnen zu diesem Thema öffentlich geäußert hat, haben wir beschlossen, einfach mal nachzufragen. So verließen am 9. Mai 2023 sechs Mails unser emsiges Büro mit der jeweiligen Bitte um eine Positionierung zum Thema.
Nur sechs? Es gibt doch sieben KandidatInnen, so werden aufmerksame LeserInnen zu Recht anmerken. Und sie liegen damit richtig — haben aber nicht gewusst, dass Ugur Cakir, der als unabhängiger Kandidat antritt, wohl keine auffindbaren Kontaktdaten preisgeben mag. Sollten Sie, liebe LeserInnen, welche haben, so freuen wir uns über einen Hinweis.
Details zum Nachlesen
Was also haben wir gefragt, werden Sie vermutlich wissen wollen. Unser Anschreiben mit den Fragen an die KandidatInnen und ein Situationspapier zur Lage in Mannheim finden Sie unter diesem Artikel als PDF-Dokumente.
Wir werden Sie natürlich über den Verlauf dieser Aktion auch weiterhin informieren. Die ganze Geschichte diese Mannheimer Trauerspiels haben wir ja bereits als „begleitetes Projekt“ dokumentiert.
Hoffen wir, dass sich Mannheim nach dem 18. Juni etwas mutiger und vor allem bewusster in Sachen Tierschutz aufstellt. Als Verhinderer hat man sich jahrelang ausgezeichnet bewiesen. Das ist inakzeptabel, wenn man Tierschutz auch nur ansatzweise ernst nimmt.
Aber wen soll man wählen, dass es besser wird? Ob wir das herausfinden werden?
Antworten
Einige Tage nach unserer Anfrage gingen die ersten Antworten bei uns ein. Lesen Sie die Stellungnahmen der KandidatInnen hier:
Das Mannheimer Projekt
Seit Februar 2022 begleiten wir das Projekt zur Einführung einer Katzenschutzverordnung in Mannheim. Lesen Sie alles dazu hier: