Conny Lehmann ist Katzenschutz-Aktivistin in Marl, Nordrhein-Westfalen. Seit ein paar Jahren kümmert sie sich in enger Zusammenarbeit mit dem Tierheim Marl um die vielen Streunerkatzen im Chemiepark und dem restlichen Stadtgebiet. Wir von Politik für die Katz‘ (PfdK) haben sie dazu befragt, ob und wie die Stadt dieses Engagement unterstützt.
Politik für die Katz‘: Conny, unterstützt die Stadt Marl Euch bei der Kastration und/oder Versorgung der Streunerkatzen?
Conny: Nein. Unterstützung von der Stadt Marl erhält das Tierheim für die Kastrations- und Versorgungskosten nicht. Die Initiative „Streunerkatzen Marl“ wird fast komplett aus privaten Spenden finanziert. Lediglich ein kleiner Zuschuss kann beim LANUV beantragt werden. Das bedeutet: Marl entzieht sich seiner Verantwortung, sich um diese sogenannten „herrenlosen“ Fundtiere zu kümmern, obwohl der Verwaltung diese Problematik bekannt ist.
Dabei ist rechtlich gesehen jede aufgegriffene Katze ein Fundtier, denn alle Streuner stammen letztlich von Hauskatzen ab. Hier wird leider – meiner Meinung nach – aus Desinteresse und vielleicht auch aus finanziellen Gründen ein Unterschied gemacht.
PfdK: Du hast erzählt, dass es bereits eine Kastrationspflicht für Freigänger auf Basis einer ordnungsbehördlichen Verordnung zur Gefahrenabwehr in der Gemeinde gibt. Das ist doch schon mal sehr gut! Aber wird die denn durchgesetzt, wenn ihr unkastrierte Besitzerkatzen aufgreift?
Conny: Leider nein. Das ist ja das Ärgerliche. Gerade kürzlich haben wir mehrmals nacheinander einen unkastrierten Kater, der einen Besitzer hat, aufgegriffen. Der Besitzer muss zwar die Unterbringungs- und Versorgungskosten bezahlen, aber letztlich muss auch das Ordnungsamt hier tätig werden und ein Bußgeld erheben. Dies ist in der ordnungsbehördlichen Verordnung der Stadt Marl vom 25.03.1998 geregelt und muss nur angewendet werden!
PfdK: Als Argument gegen solchen Verordnungen wird ja oft gesagt, dass sie wirkungslos sein. Aber ob sie ein zahnloser Tiger oder ein wirksames Instrument sind, liegt dann in den Händen der Verwaltung?
Conny: Ja, richtig. Dem Tierschutz sind hier die Hände gebunden. Der muss über Spenden viel Geld aufbringen, um sich um die vielen Streunerkatzen und deren Nachwuchs kümmern zu können. Und der Tierschutz „darf“ immer wieder zusehen, wie unkastrierte Besitzerkatzen – obwohl es in Marl eine Kastrationsverordnung gibt – für immer weiteren Streunerkatzenachwuchs sorgen. Es ist für uns hochgradig frustrierend, wenn denjenigen, die von Amts wegen sehr einfach für weniger Tierleid sorgen könnten, hier untätig sind.
Ich fordere, dass sich das endlich ändert und diese Besitzer zur Rechenschaft gezogen werden. So wie es die bestehende Verordnung schon seit langem vorsieht! Wenn ein Autofahrer geblitzt wird, bekommt er einen Bußgeldbescheid. Warum sollte dies bei Verstößen gegen die Kastrationspflicht nicht auch so sein ? Aus meiner Sicht bedeutet dies auch keinen Eingriff in Persönlichkeitsrechte, denn die Kastrationspflicht bezieht sich ja nur auf Freigängerkatzen. Wer seine unkastrierten Katzen im Haus oder im gesicherten Garten behält, ist ja in keinster Weise beeinträchtigt. Wer aber dagegen verstößt, muss ein Bußgeld bezahlen und seinen Freigänger kastrieren lassen. Ist doch ganz einfach, oder?
PfdK: Ja. Es wäre interessant die offizielle Begründung zu hören, warum die Kastrations-Verordnung nicht durchgesetzt wird. Aber warum forderst du dann eigentlich noch eine Katzenschutzverordnung? Was würde das ändern?
Conny: Eine Katzenschutzverordnung geht weit über die bestehende Kastrationspflicht hinaus. Rechtsgrundlage ist hier das der § 13b Tierschutzgesetz. Die Katzenschutzverordnung hat den Schutz freilebender Katzen im Fokus. Das Ziel ist, deren Anzahl zu vermindern und in Folge das damit verbundene Leid wie Krankheiten, Hunger, Verwahrlosung und elender Tod.
Der erste große Schritt für wirksamen Katzenschutz wäre: Die Stadt erkennt das Problem mit den Streunerkatzen an und nimmt gleichzeitig endlich die Verantwortung für ihre Aufgabe bei Streunerkatzen als Fundkatzen wahr. Gezielte Aktionen des Tierschutzes werden unterstützt, da die Stadt die gleichen Interessen wie der Tierschutz hat: Die Anzahl der Streunerkatzen zu verringern. Das erreicht man langfristig nur mit einer Kastrations-, Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht für Freigängerkatzen mit der konsequenten Verhängung von entsprechenden Bußgeldern.
PfdK: Wer ist denn bei Euch zuständig für den Erlass einer solchen Katzenschutzverordnung?
Conny: Nordrhein-Westfalen hat die Verantwortung für die Durchführung von § 13b Tierschutzgesetz auf die unteren Veterinärbehörden der Kreise übertragen. Für Marl ist somit das Kreisveterinäramt in Recklinghausen zuständig.
PfdK: Conny, verrätst Du uns noch, wie viele Katzen Du schon eingefangen hast?
Conny: In den letzten drei Jahren führe ich Listen. In der Zeit waren es 223 Katzen, die ich gesichert habe. Es wären bestimmt 50 mehr, wenn wir die Aufnahmekapazitäten im Tierheim hätten.
PfdK: Danke, für das Interview! Wir hoffen auf Einsicht sowohl bei der Stadtverwaltung Marl und auch bei der Kreisverwaltung Recklinghausen, dass die Not der Streunerkatzen real und durch Menschen gemacht ist. Die gute Nachricht ist, dass wir Menschen diese besondere Not durch verantwortungsvolles Handeln, nämlich der Kastration unserer Freigänger-Katzen, lindern können.
Das Interview mit Conny Lehmann führte Anke Feil.