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Katz'-Blog

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Was alles als „Argument“ herhalten muss

Gurtpflicht für Miezen?

von | 24. März 2025

Kürz­lich ent­brann­te auf un­se­rer Face­book-Sei­te eine hit­zi­ge Dis­kus­si­on zum The­ma Katzen­schutz­ver­ord­nung. Die Ar­gu­men­te der Geg­ner klan­gen ver­traut: „Nicht kon­trol­lier­bar, zu kom­pli­ziert, wir­kungs­los!“ Doch wo­her wis­sen die das so ge­nau? Wie kommt es zu die­ser ver­meint­li­chen Ex­per­ti­se? Und vor al­lem: Stimmt das überhaupt?

Es ist fas­zi­nie­rend zu be­ob­ach­ten, wie im Kon­text des The­mas Katzen­schutz­ver­ord­nung Men­schen ohne Fach­kennt­nis­se ur­plötz­lich zu selbst­er­nann­ten Ex­per­ten in Jura, So­zio­lo­gie und Po­li­tik­wis­sen­schaft mu­tie­ren. Sie in­ter­pre­tie­ren Ge­set­zes­tex­te, be­ru­fen sich auf Grund­rech­te und pro­phe­zei­en ge­sell­schaft­li­che Ent­wick­lun­gen. Da­bei ver­ges­sen sie, dass sich Ein­stel­lun­gen in Ge­sell­schaf­ten wirk­lich krass wan­deln kön­nen. Hier­zu fällt mir ein Bei­spiel ein.

Gurtpflicht

Anschnallpflicht

Die Gurt­pflicht in Deutsch­land war an­fangs um­strit­ten. In West­deutsch­land wur­de sie 1976 ein­ge­führt – und stieß zu­nächst auf Wi­der­stand. Jah­re­lang gab es kei­ne Sank­tio­nen, wenn man sich nicht an die Gurt­pflicht hielt. In West­deutsch­land schnall­ten sich nur etwa 58 % der Au­to­fah­rer an. Vie­le fürch­te­ten, bei Un­fäl­len „ge­fes­selt“ zu sein oder sa­hen ihre per­sön­li­che Frei­heit ein­ge­schränkt. Der Staat habe nicht das Recht, in die per­sön­li­che Frei­heit ein­zu­grei­fen und Bür­ger zum Selbst­schutz zu zwin­gen, so wur­de im­mer wie­der argumentiert.

Argumente gegen den Sicherheitsgurt (1962)

„Ich wür­de mir nie ei­nen kau­fen, da, wenn ei­nem wäh­rend der Fahrt aus Ver­se­hen die Zi­ga­ret­te run­ter­fällt, man die nie er­rei­chen würde.“

„In der Stadt ist ein Si­cher­heits­gurt zwecklos.“

„Ein Si­cher­heits­gurt macht Ar­beit. Man muss sich erst an­schnal­len, be­vor man wei­ter­fah­ren kann.“

„Es er­scheint mir un­be­quem. Aus­ser­dem lie­gen die Gur­te im­mer im Wa­gen rum.

„Pflicht, Zwang, Diktatur!“


Quel­le: rbb, Ber­li­ner Abend­schau vom 23. Mai 1962,  Vi­deo auf Face­book (lei­der nur dort zu finden)

Die Ein­füh­rung der Gurt­pflicht in der DDR im Jahr 1980 ver­lief im Ge­gen­satz zur Bun­des­re­pu­blik we­ni­ger kon­tro­vers. Das dürf­te vor al­lem dar­an ge­le­gen ha­ben, dass es dort ver­gleichs­wei­se we­nig Mo­ti­va­ti­on gab, of­fen an staat­li­chen Maß­nah­men herumzukritteln.

Im Wes­ten scheint es, dass die Geg­ner an­fangs tat­säch­lich lau­ter wa­ren als die Be­für­wor­ter, denn es gab da­mals mehr Be­für­wor­ter als Geg­ner: Um­fra­gen zeig­ten, dass be­reits vor der Ein­füh­rung der Gurt­pflicht eine Mehr­heit der Be­völ­ke­rung nichts da­ge­gen hatte.

Auf­klä­rungs­kam­pa­gnen, die Kom­mu­ni­ka­ti­on über die sin­ken­de An­zahl der schwe­ren Un­fall­fol­gen, die Ein­füh­rung ei­nes Buß­gel­des 1984 in West­deutsch­land und die Ge­wöh­nung führ­te zu ei­nem An­stieg der An­schnall­quo­te auf über 90 %. Re­sü­mee: Was einst kon­tro­vers war, ist heu­te selbst­ver­ständ­lich. Kaum je­mand wür­de die Sinn­haf­tig­keit des An­schnal­lens in Fra­ge stellen.

Die Geschichte wiederholt sich

Ähn­lich wie bei der Gurt­pflicht gibt es auch bei der Katzen­schutz­ver­ord­nung Skep­ti­ker. So­gar aus den Rei­hen der Tier­schüt­zen­den, was als Ver­rat ge­wür­digt wer­den könn­te. Im­mer­hin ist die Katzen­schutz­ver­ord­nung das ein­zi­ge ge­setz­li­che In­stru­ment, das wir ak­tu­ell im Be­steck­kas­ten ge­gen das Kat­zen­leid zur Ver­fü­gung haben.

Die Be­den­ken im Fal­le ei­ner ver­pflich­ten­den Kas­tra­ti­on von Frei­gän­ger­kat­zen lau­ten oft:

  • Ein­schrän­kung der Grund­rech­te des Katzenhaltenden,
  • Zwei­fel an der Wirk­sam­keit ei­ner sol­chen Verordnung,
  • Be­den­ken, dass die Ver­ord­nung Kos­ten ver­ur­sacht und
  • Angst vor Nach­tei­len durch die Kas­tra­ti­on: bei­spiels­wei­se we­ni­ger Mäu­se­fän­ge und we­ni­ger Sex-Spaß der Kater!

Olle Kamellen

Alle die­se Punk­te sind viel­fach wi­der­legt – auch auf un­se­rer Web­site sind dazu Ar­ti­kel zu fin­den. Nur in Kürze:

  • Auf Tier­schutz spe­zia­li­sier­te Ju­ris­ten ha­ben be­stä­tigt, dass es durch eine Katzen­schutz­ver­ord­nung nach § 13b TierschG kei­ne Ein­schrän­kung der Grund­rech­te gibt. (sie­he: FAQ für Kom­mu­nen)
  • Eine Katzen­schutz­ver­ord­nung ist wirk­sam, denn sie bringt Be­hör­den, Tier­schutz­ver­ei­nen und Tier­ärz­ten so­for­ti­ge Rechts­si­cher­heit durch ei­nen Handlungsrahmen.
  • Eine Katzen­schutz­ver­ord­nung an sich kos­tet nichts zu­sätz­lich. Wenn von Kos­ten ge­spro­chen wird, sind es sol­che, die oh­ne­hin auch durch ein kor­rekt an­ge­wen­de­tes Fund­recht an­fal­len. Oder wie stellt eine Ge­mein­de sich vor, un­kastrier­te Fund­kat­zen tier­schutz­ge­recht und Kos­ten-sen­si­tiv zu verwahren?
  • Ant­wor­ten auf frei er­fun­de­ne Nach­tei­le durch Kas­tra­tio­nen ge­ben wir auf un­se­rer In­for­ma­ti­ons­sei­te über „im­mer die glei­chen Ausreden“.

Die Geg­ner ei­ner Ver­ord­nung igno­rie­ren zu­dem, das Tier­schutz seit über 20 Jah­ren ein im Grund­ge­setz fest­ge­schrie­be­nes Staats­ziel ist und um­ge­setzt wer­den muss – auch wenn wir uns in vie­len Be­rei­chen der Tier­hal­tun­gen wün­schen, dass dies stär­ker rea­li­siert würde!

Fazit

Auf­klä­rungs­ar­beit, Kas­tra­ti­ons­ak­tio­nen und Durch­hal­te­ver­mö­gen sind wich­tig, wenn die Katzen­schutz­ver­ord­nung wir­ken soll. Das ist meist nichts, was von heu­te auf mor­gen um­zu­set­zen ist. Doch an die­ser Stel­le er­in­ne­re ich an die Gurt­pflicht: Sie be­nö­tig­te auch Zeit, um sich durch­zu­set­zen – doch heu­te ist sie selbst­ver­ständ­lich und nie­mand hin­ter­fragt ernst­haft ih­ren Nut­zen. Ge­nau­so wird auch die Katzen­schutz­ver­ord­nung lang­fris­tig ih­ren Bei­trag leis­ten für we­ni­ger Kat­zen­elend und ent­las­te­te eh­ren­amt­li­che Tierschützende.

Wir se­hen: An­fangs­wi­der­stand ist selbst ge­gen sinn­volls­te Din­ge völ­lig nor­mal in un­se­rer Welt. Ver­än­de­run­gen sind für das Ge­wohn­heits­tier Mensch oft nicht leicht zu ak­zep­tie­ren, wenn Nach­tei­le be­fürch­tet wer­den – selbst wenn es kei­ne gibt.

Das ist bei ei­ner Katzen­schutz­ver­ord­nung nicht an­ders. Wir wis­sen aber: Ohne kla­re Re­ge­lun­gen wird sich die Si­tua­ti­on für ver­lo­re­ne und ob­hut­lo­se Kat­zen nie­mals än­dern! Also, ver­zich­tet auf Scheinargumente!

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So wird das nichts: Anke Hen­nig, Tier­schutz­be­auf­trag­te der SPD, er­wies sich in ei­ner Po­di­ums­dis­kus­si­on zu meh­re­ren The­men nicht als Ex­per­tin. Die Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­te prä­sen­tier­te sich als Kämp­fe­rin für eine Bun­des­kat­zen­schutz­ver­ord­nung – ohne dass da­hin­ter Sub­stanz steckte.

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Auf­grund der pre­kä­ren und alar­mie­ren­den Lage der Tier­hei­me hat „Min­ka“ die Wahl­pro­gram­me von 8 kan­di­die­ren­den Par­tei­en und Wäh­ler­ge­mein­schaf­ten un­ter die Lupe ge­nom­men und die tier­schutz­re­le­van­ten Punk­te herausgepickt.

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Die Ge­schich­te der Katzen­schutz­ver­ord­nung in Mann­heim geht wei­ter, im­mer wei­ter. Un­se­re Um­fra­ge bei den OB-Kan­di­da­tIn­nen gibt Ein­bli­cke in die Be­find­lich­keit der Politik.

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Mail: info@politik-fuer-die-katz.de

Telefon: 0 66 68 / 91 99 377