Kürzlich entbrannte auf unserer Facebook-Seite eine hitzige Diskussion zum Thema Katzenschutzverordnung. Die Argumente der Gegner klangen vertraut: „Nicht kontrollierbar, zu kompliziert, wirkungslos!“ Doch woher wissen die das so genau? Wie kommt es zu dieser vermeintlichen Expertise? Und vor allem: Stimmt das überhaupt?
Es ist faszinierend zu beobachten, wie im Kontext des Themas Katzenschutzverordnung Menschen ohne Fachkenntnisse urplötzlich zu selbsternannten Experten in Jura, Soziologie und Politikwissenschaft mutieren. Sie interpretieren Gesetzestexte, berufen sich auf Grundrechte und prophezeien gesellschaftliche Entwicklungen. Dabei vergessen sie, dass sich Einstellungen in Gesellschaften wirklich krass wandeln können. Hierzu fällt mir ein Beispiel ein.
Gurtpflicht

Die Gurtpflicht in Deutschland war anfangs umstritten. In Westdeutschland wurde sie 1976 eingeführt – und stieß zunächst auf Widerstand. Jahrelang gab es keine Sanktionen, wenn man sich nicht an die Gurtpflicht hielt. In Westdeutschland schnallten sich nur etwa 58 % der Autofahrer an. Viele fürchteten, bei Unfällen „gefesselt“ zu sein oder sahen ihre persönliche Freiheit eingeschränkt. Der Staat habe nicht das Recht, in die persönliche Freiheit einzugreifen und Bürger zum Selbstschutz zu zwingen, so wurde immer wieder argumentiert.
Argumente gegen den Sicherheitsgurt (1962)
„Ich würde mir nie einen kaufen, da, wenn einem während der Fahrt aus Versehen die Zigarette runterfällt, man die nie erreichen würde.“
„In der Stadt ist ein Sicherheitsgurt zwecklos.“
„Ein Sicherheitsgurt macht Arbeit. Man muss sich erst anschnallen, bevor man weiterfahren kann.“
„Es erscheint mir unbequem. Ausserdem liegen die Gurte immer im Wagen rum.
„Pflicht, Zwang, Diktatur!“
Quelle: rbb, Berliner Abendschau vom 23. Mai 1962, Video auf Facebook (leider nur dort zu finden)
Die Einführung der Gurtpflicht in der DDR im Jahr 1980 verlief im Gegensatz zur Bundesrepublik weniger kontrovers. Das dürfte vor allem daran gelegen haben, dass es dort vergleichsweise wenig Motivation gab, offen an staatlichen Maßnahmen herumzukritteln.
Im Westen scheint es, dass die Gegner anfangs tatsächlich lauter waren als die Befürworter, denn es gab damals mehr Befürworter als Gegner: Umfragen zeigten, dass bereits vor der Einführung der Gurtpflicht eine Mehrheit der Bevölkerung nichts dagegen hatte.
Aufklärungskampagnen, die Kommunikation über die sinkende Anzahl der schweren Unfallfolgen, die Einführung eines Bußgeldes 1984 in Westdeutschland und die Gewöhnung führte zu einem Anstieg der Anschnallquote auf über 90 %. Resümee: Was einst kontrovers war, ist heute selbstverständlich. Kaum jemand würde die Sinnhaftigkeit des Anschnallens in Frage stellen.
Die Geschichte wiederholt sich
Ähnlich wie bei der Gurtpflicht gibt es auch bei der Katzenschutzverordnung Skeptiker. Sogar aus den Reihen der Tierschützenden, was als Verrat gewürdigt werden könnte. Immerhin ist die Katzenschutzverordnung das einzige gesetzliche Instrument, das wir aktuell im Besteckkasten gegen das Katzenleid zur Verfügung haben.
Die Bedenken im Falle einer verpflichtenden Kastration von Freigängerkatzen lauten oft:
- Einschränkung der Grundrechte des Katzenhaltenden,
- Zweifel an der Wirksamkeit einer solchen Verordnung,
- Bedenken, dass die Verordnung Kosten verursacht und
- Angst vor Nachteilen durch die Kastration: beispielsweise weniger Mäusefänge und weniger Sex-Spaß der Kater!
Olle Kamellen
Alle diese Punkte sind vielfach widerlegt – auch auf unserer Website sind dazu Artikel zu finden. Nur in Kürze:
- Auf Tierschutz spezialisierte Juristen haben bestätigt, dass es durch eine Katzenschutzverordnung nach § 13b TierschG keine Einschränkung der Grundrechte gibt. (siehe: FAQ für Kommunen)
- Eine Katzenschutzverordnung ist wirksam, denn sie bringt Behörden, Tierschutzvereinen und Tierärzten sofortige Rechtssicherheit durch einen Handlungsrahmen.
- Eine Katzenschutzverordnung an sich kostet nichts zusätzlich. Wenn von Kosten gesprochen wird, sind es solche, die ohnehin auch durch ein korrekt angewendetes Fundrecht anfallen. Oder wie stellt eine Gemeinde sich vor, unkastrierte Fundkatzen tierschutzgerecht und Kosten-sensitiv zu verwahren?
- Antworten auf frei erfundene Nachteile durch Kastrationen geben wir auf unserer Informationsseite über „immer die gleichen Ausreden“.
Die Gegner einer Verordnung ignorieren zudem, das Tierschutz seit über 20 Jahren ein im Grundgesetz festgeschriebenes Staatsziel ist und umgesetzt werden muss – auch wenn wir uns in vielen Bereichen der Tierhaltungen wünschen, dass dies stärker realisiert würde!
Fazit
Aufklärungsarbeit, Kastrationsaktionen und Durchhaltevermögen sind wichtig, wenn die Katzenschutzverordnung wirken soll. Das ist meist nichts, was von heute auf morgen umzusetzen ist. Doch an dieser Stelle erinnere ich an die Gurtpflicht: Sie benötigte auch Zeit, um sich durchzusetzen – doch heute ist sie selbstverständlich und niemand hinterfragt ernsthaft ihren Nutzen. Genauso wird auch die Katzenschutzverordnung langfristig ihren Beitrag leisten für weniger Katzenelend und entlastete ehrenamtliche Tierschützende.
Wir sehen: Anfangswiderstand ist selbst gegen sinnvollste Dinge völlig normal in unserer Welt. Veränderungen sind für das Gewohnheitstier Mensch oft nicht leicht zu akzeptieren, wenn Nachteile befürchtet werden – selbst wenn es keine gibt.
Das ist bei einer Katzenschutzverordnung nicht anders. Wir wissen aber: Ohne klare Regelungen wird sich die Situation für verlorene und obhutlose Katzen niemals ändern! Also, verzichtet auf Scheinargumente!