In der Türkei lebende Tierschützer erzählten mir, dass man jedes Straßentier in das örtliche Tierheim bringen könne, Dort müsse es vom Amtsveterinär auf Kosten der Gemeinde kastriert werden. Das Ergebnis war auf den Straßen zu sehen: Kastrierte Hunde konnte man an einer Ohrmarke erkennen, kastrierte Katzen bekamen einen Teil der Ohrspitze abgeschnitten.
Hotelgäste
In den Hotelanlagen wurden die Tiere je nach Einstellung des Managers entweder verjagt oder man duldete, dass Touristen sie vom Buffet fütterten.
Besonders aufgefallen sind mir die Katzen. Es waren schöne und gepflegte Tiere dabei, aber auch richtige elendige Kreaturen. Je nach Charakter und Erfahrung trauten sie sich sehr nah heran oder schauten von weitem, ob irgendwas vom Tisch fiel um es blitzschnell zu holen.
Außerhalb von Hotelanlagen
Verließ man den Hotelbereich, dann war Situation weniger behütet. So war es nicht ungewöhnlich, dass einem ein Rudel Straßenhunde entgegenkam. Was tun? Mutig weitergehen oder doch besser die Seite wechseln?
Freunde nahmen mich dann mit zu den Futterstellen. Teilweise fütterten sie bis zu 100 Tiere. Ein Großteil davon war nicht kastriert, denn dazu fehlte das Geld.
Theoretisch hätten die Gemeinden dieses Tiere zwar kastrieren müssen, aber in der Praxis klappte das eben nicht. Falls dann doch Fangaktionen stattfanden, mussten die Tiere oft genug in Käfigen ausharren, bis eine Kastration gemacht werden konnte. Zudem wusste man nicht, wie gut der Operateur ist: Amtsveterinäre kennen sich oft mit Kleintieren nicht so gut aus. Außerdem gibt es nicht in jedem Ort einen. Deshalb zahlten die Tierschützer lieber selbst für die Kastrationen.
Erfahrungen in Özdere
Im Jahr 2012 war ich bei 4 Fangaktionen in Özdere/Izmir dabei. Der Ort hat um die 20.000 Einwohner. In einer Woche wurden ca. 50 Hunde und an die 150 Katzen gefangen und kastriert.
Alleine auf dem Gelände meiner Freundin waren ungefähr 300 Katzen. Mindestens ¾ davon waren richtig penetrant, wenn es ums Fressen ging.
Im Jahr 2014 gründete ich daher den Verein Tierhilfe Türkei e. V., in dem es vorrangig um Kastrationen in der Türkei ging. Es war ein Fass ohne Boden und vor allen Dingen verbunden mit dem Eindruck von unsäglich viel Tierleid.
Bei uns vor der Haustür
Weihnachten 2017 las ich in einer Facebookgruppe den Beitrag einer Bekannten. Sie fragte, wer sich in Aschaffenburg um Streunerkatzen kümmere. Streunerkatzen in meiner Heimatstadt? Das konnte nicht sein!
Ich hatte keine Einzige gesehen, obwohl ich etwas ländlich wohne. Kein Zweifel: Das müssen die verwechseln, das sind Freigänger, so dachte ich damals.
Ziemlich schnell meldeten sich einige Leute, die Streunerkolonien und Menschen kannten, die dort fütterten. Als ich dann selbst einen älteren Herrn sah, der mehr als 30 Katzen fütterte, wurde mir klar, dass etwas getan werden muss.
Sollte es auch hier so ausarten wie in der Türkei? Es musste kastriert werden!
Katzenschutzverordnung
Schnell wurde mir klar: Wir brauchen eine Katzenschutzverordnung. Einige Mitbürger sahen das genauso und 2018 war unsere Streunerhilfe Aschaffenburg gegründet. Unsere vorrangigen Ziele waren, so viele Katzen wie möglich (rechtssicher) zu kastrieren und die Menschen, die sich das Futter oft nur von ihrer Rente abgeknapsten, zu unterstützen.
Was wir im Rahmen unserer Arbeit nun auch vor unserer Haustür sehen mussten, war teilweise erschreckend. Uns war es daher wichtig, den bisher verborgenen Tieren Sichtbarkeit zu verschaffen, denn: Zu häufig wird immer noch abgestritten, dass es diese wilden Katzengruppen gibt — bloß, weil sie nicht im Rampenlicht leben. Ich hatte gelernt: Man muss hinschauen und hinschauen wollen.
In Aschaffenburg wurde glücklicherweise im November 2022 eine Katzenschutzverordnung beschlossen. Nun wird zum einen unsere Arbeit erleichtert, es besteht aber auch eine weit bessere Chance, dass das Katzenleid verringert werden kann.
Ulrike Arnold
ehemals Tierhilfe Türkei e. V.