Der sächsische Tierschutzbeirat verhindert im Frühjahr 2023 eine Katzenschutzverordnung nach § 13b Tierschutzgesetz auf Landesebene und die Ermächtigung der Gemeinden zum Erlass einer solchen. Die Landtagsfraktion Die Linke hatte diese beantragt. Stattdessen plädiert der Beirat dafür, dass das Land Sachsen den Vereinen einen besser gefüllten Fördergeldtopf für Kastrationen bereitstellt.
Eine Studie in Leipzig habe angeblich bewiesen, dass Streuner-Kastrationsaktionen als Maßnahme gegen das Streunerelend völlig ausreichend seien. Damit unterstützt der Landestierschutzbeirat auch den Antrag von SPD, CDU und Grüne, lediglich die Erhöhung der Fördergelder zu beantragen, aber keine Regelung für mehr Katzenschutz. CDU, SPD und Grüne nicken begeistert.
In Sachsen wird somit in Sachen Katzenelend weiterhin lediglich an den Symptonen „herum gedoktert“ und nicht gegen die Ursache gehandelt!
Gerüchte, Gerüchte
Interessant ist, dass bei den TierschützerInnen nun dieses Gerücht kursiert:
Wenn die Katzenschutzverordnung kommt, sperrt das Land Sachsen den Hahn für Kastrations-Fördergelder zu!
Versucht jemand damit, eine unbeliebte Entscheidung als einen Vorteil darzustellen?
Dazu sei bestätigt, dass die Bundesländer mit einer Möglichkeit des Katzenschutzes nach § 13 b Tierschutzgesetz oder auch auf Basis des Ordnungsrechts Fördergelder für die Kastration von freilebenden Katzen bereitstellen. Auch das BMEL begrüßt Kastrations-Förderinitiativen der Bundesländer ausdrücklich!
Es wäre doch auch schön blöd, das bisschen Geld nicht zu geben. Günstigere und willigere Arbeitskräfte als die ehrenamtlichen TierschützerInnen gibt es doch gar nicht!
Wären die vielen Kastrationsaktionen durch die Behörden oder deren Dienstleister durchzuführen, würde es ein Vielfaches mehr als ein paar hundertausend Euro, wie sie in Sachsen bereitgestellt werden, kosten.
Fehlen Daten?
Nein, denn die Landesregierung „badet seit Jahren seine Finger“ in Daten zu Katzenkastrationen in Sachsen! Wir haben uns die Mühe gemacht, die Fördergeldanträge für Katzenkastrationen von 2023 und 2022 durchzuarbeiten.
Warum das Ministerium keinen Bedarf sieht etwas zu unternehmen, können wir uns nicht erklären. 57 sächsische Vereine beantragten für 23 und 22 Fördergelder für die Kastrationen von über 4000 Katzen. In manchem Jahren von 2011 bis 2016 beantragten jährlich bis zu 63 Vereine Fördergelder für Katzenkastrationen!
Es fehlen keine Daten, es fehlt der Wille!
Es gibt weder gesetzliche Vorschriften, noch Verwaltungsvorschriften oder aktuelle Rechtsprechung, die vorgeben, wie ein Nachweis der Katzenpopulationen auszusehen hat, oder wer ihn erbringen soll. Die seit Jahren gestellten und bewilligten Anträge reichen als Nachweis für eine landesweite Katzenschutzverordnung völlig aus. Im Falle einer Delegationsverordnung reichen sie für die jeweiligen Gemeinden, in denen kastriert wurde, ebenfalls allemal aus. Es fehlen also keine Daten, es fehlt der politische Wille!
Rechtssicherheit? Uns doch egal!
Die Verletzung der Grundrechte wird im Kontext der Katzenschutzverordnung gerne als Verhinderungsgrund vorgeschoben. Dabei behaupten die Katzenschutzgegner, dass Grundrechte wie das Eigentumsrecht, das Persönlichkeitsrecht und die Handlungsfreiheit der Katzenhalter wegen der Auflage zur Kastration verletzt würden.
Es ist hierzu jedoch keine einzige Klage vor Gericht bekannt. Vielmehr bestätigt die Deutsche Juristische Gesellschaft für Tierrecht e. V. , dass eine Katzenschutzverordnung auf Basis § 13b Tierschutzgesetz keinen Konflikt mit den Grundrechten bietet, erst recht nicht dann, wenn ein Kastrationsgebot sich lediglich auf die Besitzerkatzen bezieht, die in den unkontrollierten freien Auslauf dürfen.
Was ist mit der Rechtssicherheit der TierschützerInnen?
Katzenkastration ohne einen rechtlichen Rahmen wie einer Katzenschutzverordnung sind tatsächlich nicht legal. Jede Katze hat einen Besitzer/Eigentümer oder eine Besitzerin/Eigentümerin, auch wenn der oder die sie ausgesetzt oder zurückgelassen hat.
Die Rechtssicherheit derjenigen, die sich um die Kastration der freilebenden Katzen kümmern, scheint den EntscheiderInnen total egal zu sein. Sie existiert weder in der Argumentation des Landestierschutzbeirats, noch in der der Politik.
Dabei stehen kastrierende TierärztInnen sowie TierschützerInnen in Gefahr, wegen Sachbeschädigung angezeigt zu werden, wenn sie eine Katze kastrieren, deren Besitzer dann irgendwann Ansprüche stellt. Solche Fälle gibt es einige! Niemand kann einer Katzen ansehen, ob sie einen Besitzer hat, oder nicht. Auch die TierschützerInnen nicht, die allesamt sehr sorgfältig danach schauen, bevor sie fangen. Als Vorsitzende eines Tierschutzvereines musste ich mit einer solchen Anzeige-Situation bereits umgehen.
Nur mit einer Katzenschutzverordnung mitsamt Kastrations-, Kennzeichnungs- und Registrierungsgebot, können freilebende Katzen rechtssicher kastriert werden.
Mit Katzenschutzverordnung ist es klar: keine Kennzeichnung — kein Besitzer.
Auch ein Veterinäramt scheint — zum Beispiel in HotSpot-Situationen auf einem Bauernhof — ohne Katzenschutzverordnung machtlos und kann keine Kastration anordnen! Wie sonst sollte man sich die vielen tierschutzrelevanten Katzen-Situationen an landwirtschaftlichen Gebäuden erklären?
Klar ist, dass die fehlende Rechtssicherheit die Politik nicht kümmert. Verwaltungen sind nicht verpflichtet, freilebende Katzen zu kastrieren. Diese heikle und teure Tierschutz-Aufgabe überlassen sie lieber den — zumindest auf dem Papier — hochgelobten ehrenamtlichen TierschützerInnen.
Dass der sächsische Tierschutzbeirat diesen Fakt ignoriert, ist hingegen empörend. So arbeitet er gegen die TierschützerInnen, gegen den Tierschutz!
Eine Katzenschutzverordnung hilft:
- zur rechtssicheren Populationskontrolle der freilebenden Katzen,
- dem Veterinäramt im Umgang mit uneinsichtigen Katzenhalter und Katzenhalterinnen,
- Fundkatzen dank Kennzeichnung und Registrierung schnell an ihre Besitzer zurückzugeben,
- der Kommune, die für Fundtiere zuständig ist, Steuergelder zu sparen,
- den Tierärzten, rechtssicher Streunerkatzen zu kastrieren,
- den Tierschützern, rechtssicher Kastrationen zu veranlassen und nicht zuletzt
- den Katzenschutzvereinen durch weniger Katzennachwuchs.
Die Leipziger Streuner-Studie
Der Tierschutzbeirat, indem auch Vorstandsmitglieder des sächsischen Landestierschutzverbandes sitzen, begründet die Position gegen eine Katzenschutzverordnung damit, dass ein gutes Kastrationsmanagement der freilebenden Katzen ausreichend sei. Genau das würde die aktuelle Leipziger Studie (Link zur Studie) belegen. Die Studie hätte auch hervorgebracht, dass 90 % der Katzenhalter ihre Katzen kastrieren und kennzeichnen ließen. Da sei keine Verbesserung durch eine Katzenschutzverordnung zu erwarten.
Aus der Anhörung 2016, zur Situation in Leipzig:
Dr. med. Volker Jähnig, Tierarzt in Leipzig:
„Wir können letztendlich sagen, wir kastrieren weniger, aber ob die Population wirklich gesenkt ist, das ist die Frage, die wir nicht beantworten können.“
Zur Leipziger Streuner-Studie, 2023:
Dr. Katharina Mühlbauer, Tierärztin:
„Klar sehen die Katzen gut aus, wenn sie seit Jahren an der Futterstelle versorgt werden. Klinische Veränderungen bei jeder 2. Katze, davon am meisten Zähne, was schlimme Schmerzen verursacht, 50% Parasiten, ein Drittel Giardien. Verstehe nicht, warum das so beschönigt wird.“
Was die Studie tatsächlich sagt
Die Studie gibt an, dass die zur Anzahl der gekennzeichneten und registrierten Katzen erhobenen Zahlen nicht repräsentativ seien. Im Abschlussbericht der Studie steht zu lesen, dass die Kastrations-Massnahmen nur dann wirken, wenn Besitzerkatzen kastriert in den unkontrollierten Freigang dürfen.
Wieviel Leid braucht es denn noch?
Liest man die Studie, erfährt man ebenfalls, dass in Leipzig in den vergangenen 30 Jahren durch die Verwaltung über 10.000 Katzen kastriert und mehr als 3.400 euthanasiert wurden! Durch die Stadt und teilnehmenden Vereine wurden im betrachteten Zeitraum jährlich im Schnitt über 200 Katzen kastriert und 40 euthanasiert! 50 % der untersuchten freilebenden Katzen hatten zudem noch Probleme mit Zähne, Ohren und Parasiten und Würmern.
Das ist mehr als genug nachgewiesenes Leid für den Erlass einer Katzenschutzverordnung.
Wir haben die Studie sorgfältig gelesen und analysiert. Sie liefert nicht einen Anhaltspunkt, der gegen den Erlass einer Katzenschutzverordnung spricht. Lesen Sie unsere Analyse hier:
Macht-Spiele
Bereits 2016 wurden Experten zum Thema angehört — niemand hatte Zweifel daran, dass eine Katzenschutzverordnung ein wichtiger Beitrag dazu sei, Streunerelend zu verhindern oder es vielmehr zu verringern. Auch die Experten-Anhörung im Herbst 2022 ergibt kein gegenteiliges Bild. Aber was nützt es, wenn die vielen Fachbeiträge in den Anhörungen vom Tierschutzbeirat, von den Politikern des Ausschusses und von den Fraktionsabgeordneten schlicht und einfach ignoriert werden?
Die Frage ist, wozu wird der Aufwand betrieben, wenn Experten zwar angehört, aber nicht gehört werden? Die ablehnenden Beschlüsse 2017 und 2023 wurden aus Gründen getroffen, die nicht den Katzenschutz oder die Erleichterung der Katzenschutzarbeit zum Ziel haben. Es ist zu vermuten, dass Macht-Gehabe die Entscheider motiviert.
Sachsens Katzensituation
Katzensituation in Sachsen, CatTab
Hauskatzen insgesamt: 772.923
davon Freigänger: 541.046
davon unkastrierte Freigänger: 162.314
freilebende Katzen: 98.461
Tasso-Meldedaten für Sachsen, 2022
Anzahl Katzen, unkastriert 27.214
Anzahl Katzen, kastriert: 61.489
Gesamtzahl gemeldeter Katzen: 88.703
CatTab-Statistik für Leipzig:
Gesamtzahl Hauskatzen: 116.538
davon Freigänger: 58.269
davon Freigänger, nicht kastriert: 17.481
freilebende Katzen: 14.848
Stand 09/2023, für Leipzig gemeldet
bei Tasso
unkastrierte Katzen: 5.732
kastrierte Katzen: 14.267*
bei Findefix
unkastrierte Katzen: 1.438
kastrierte Katzen: 1.839*
* Wie viele dieser Katzen wurden vom Tierschutz gemeldet?
* Wie viele Katzen wurden bei beiden Registern gemeldet?)
Landes-Fördergelder 2023
Förderung für Kastrationen: 361.603,20 €
Anzahl beantragender Vereine: 53
vorraussichtlich damit kastrierte freilebenden Katzen: 2.191 (Anzahl errechnet mit durchschnittliche 165 € pro Kastration)
„Einstellung überdenken!
Wer Fragen des Tierschutzes, oder wie aktuell hier in Sachsen des Katzenschutzes, zum Gegenstand demokratischer Verhandlungen oder politischer Machtspielchen macht, sollte seine Haltung zu unseren gesellschaftlichen Werten und speziell zu den vielen Aktiven im Katzenschutz dringend überdenken.“