Frankfurter Katzenschutzverordnung

Sie wurde von 2015 bis 2023 nicht erlassen.

Frankfurt

Ein- und Ansichten zur Einführung einer Katzenschutzverordnung in Frankfurt.

Frankfurt: Reaktionen aus der Politik?

von | 14. März 2023

Na­tür­lich war das ein gu­ter An­lass: Die Frank­fur­ter Ober­bür­ger­meis­ter­wahl am 5. März 2023 bot eine gute Ge­le­gen­heit, bei den Kan­di­da­tIn­nen nach­zu­fra­gen, wie sie zu die­sem oder je­nem The­ma ste­hen. Die en­ga­gier­te Tier­schüt­ze­rin Si­ri­kit Trei­ling hat das ge­tan: Sie hat nach­ge­fragt. Sie woll­te wis­sen, wie die Ein­stel­lung des künf­ti­gen Stadt­ober­haupts zu ei­ner Katzen­schutz­ver­ord­nung  in Frank­furt ist. Der Hin­ter­grund: Be­reits seit acht Jah­ren wird in Frank­furt eine Katzen­schutz­ver­ord­nung ver­hin­dert. Was bei Si­ri­kits Ak­ti­on her­aus­kam, fas­sen wir hier zusammen.

Sirikit Treiling: Anfrage zur Katzenschutzverordnung an Frankfurter PolitikerInnen

Si­ri­kit Trei­lings Anfrage

Am 6. Fe­bru­ar 2023 gin­gen gleich­lau­ten­de Mails bei den 20 Kan­di­da­tIn­nen ein. Hier­in wur­den sie auf die Si­tua­ti­on der frei­le­ben­den Kat­zen und de­ren Leid sach­kun­dig hin­ge­wie­sen. Als lang­jäh­rig Ak­ti­ve im Be­reich der Kat­zen­hil­fe weiß Si­ri­kit sehr ge­nau, wel­che Pro­ble­me es in Frank­furt gibt — und sie muss­te mit an­se­hen, wie er­folg­reich die Stadt seit nun­mehr acht Jah­ren das Pro­blem weit­ge­hend igno­riert hat.

Ihr An­schrei­ben ent­hält Hin­wei­se auf die po­si­ti­ven Mög­lich­kei­ten, die eine Katzen­schutz­ver­ord­nung birgt: für eh­ren­amt­li­che Tier­schüt­ze­rIn­nen, für das Ve­te­ri­när­amt, für die Hal­te­rIn­nen von frei­lau­fen­den Kat­zen und nicht zu­letzt für die Stadt Frank­furt selbst. Letzt­lich schloss die An­fra­ge mit der Bit­te um eine Positionierung:

Wür­den Sie als Oberbürgermeister:in von Frank­furt den Er­lass ei­ner Katzen­schutz­ver­ord­nung vorantreiben?

Nicht-Reaktionen

70 % der An­ge­schrie­be­nen ha­ben die An­fra­ge — ein­fach igno­riert. Das ist ein er­schre­ckend ho­her Wert. Aus Er­fah­rung gehe ich da­von aus, dass sich alle Kan­di­da­tIn­nen im Wahl­kampf so oder ähn­lich ge­äu­ßert ha­ben dürften:

Ich will Bür­ger­meis­te­rIn für alle sein und ich wer­de den Bür­ger­In­nen zuhören.

Fai­rer­wei­se muss ich fest­hal­ten, dass sehr wahr­schein­lich nie­mand je­mals et­was von Ant­wor­ten auf mög­li­che Fra­gen ge­sagt ha­ben dürf­te. Und beim Zu­hö­ren kann man ja auch mal abschalten …

Wir le­ben in ei­ner Zeit, in der Po­li­tik­ver­dros­sen­heit zu Recht be­klagt wird. Da ist es kein gu­tes Zei­chen für eine Bes­se­rung der Be­zie­hun­gen zwi­schen Po­li­ti­ker­Innen und Bür­ger­In­nen, wenn auf Nach­fra­gen hin nichts kommt. Ge­nau das ist in Si­ri­kits Fall aber größ­ten­teils pas­siert. Was man dar­aus ziem­lich si­cher schlie­ßen kann: Es wird so wei­ter­ge­hen mit dem Frust auf Sei­ten vie­ler BürgerInnen.

Die Wahl­be­tei­li­gung im ers­ten Wahl­gang lag bei 40,4 % — man­che emp­fin­den das be­reits als hoch (sie­he: „Frank­fur­ter Wahl­ana­ly­sen“). Ich emp­fin­de es als be­schä­mend we­nig. Eine noch ge­rin­ge­re Be­tei­li­gung wird für die Stich­wahl nicht aus­ge­schlos­sen. Wen über­rascht es aber, wenn Nicht-Re­ak­tio­nen der Po­li­ti­ker­Innen zu Nicht-Re­ak­tio­nen der  po­ten­ti­el­len Wäh­le­rIn­nen führen?

Wie kom­men wir her­aus aus die­sem Di­lem­ma? Viel­leicht so: Es müs­sen im­mer mehr Po­li­ti­ker­Innen da­mit an­fan­gen, sich an­ders zu po­si­tio­nie­ren — eine Nicht-Re­ak­ti­on auf eine nicht miss­bräuch­li­che  und so­gar be­grün­de­te Nach­fra­ge soll­te, bes­ser: darf nicht vor­kom­men. Auf die­se ein­fa­che Art könn­ten Po­li­ti­ker­Innen der Po­li­tik­ver­dros­sen­heit et­was ent­ge­gen setzen.

Zu­ge­ge­ben: Die 30 % der Ant­wor­ten­den ha­ben ja ei­nen An­fang ge­macht. Doch muss ich auch fest­stel­len, ohne die Leis­tung der Ant­wor­ten­den schmä­lern zu wol­len: Das wa­ren eben Kan­di­da­tIn­nen, die ver­mut­lich da­von aus­gin­gen, dass sie so­wie­so chan­cen­los wa­ren und nichts zu ver­lie­ren hatten.

Die Fa­vo­ri­tIn­nen da­ge­gen — ne­ben di­ver­sen eben­falls igno­ran­ten Au­ßen­sei­te­rIn­nen — emp­fan­den Si­ri­kits An­fra­ge of­fen­bar nicht als wich­tig. Um im Bild zu blei­ben: Es nutzt we­nig, wenn von 100 Kat­zen 30 % kas­triert sind — man es die an­de­ren aber wei­ter so trei­ben lässt wie bisher.

Geantwortet haben:

  • Mar­kus Eu­lig, frei­er Kandidat
  • An­dre­as Lo­ben­stein, AfD
  • Tilo Schwich­ten­berg, Gartenpartei
  • Da­nie­la Mehl­er-Würz­bach, Die Linke
  • Ma­thi­as Pfeif­fer, BFF-BIG-Fraktion
  • Yan­ki Pür­sün, FDP

Nicht geantwortet haben:

  • Uwe Be­cker, CDU
  • Mike Jo­sef, SPD
  • Ma­nue­la Rott­mann, Die Grünen
  • Ka­tha­ri­na Tanc­zos, Die Partei
  • Khur­rem Akhtar, Team Todenhoefer
  • Yamòs Ca­ma­ra, FPF
  • Frank Gro­ßen­bach, Die Basis
  • Feng Xu, frei­er Kandidat
  • Karl-Ma­ria Schul­te, frei­er Kandidat
  • Maja Wolff, freie Kandidatin
  • Ni­klas Pau­li, frei­er Kandidat
  • Pe­ter Pa­wel­ski, frei­er Kandidat
  • Pe­ter Wirth, frei­er Kandidat
  • Sven Jung­hans, frei­er Kandidat

Was neh­men Po­li­ti­ker­Innen ei­gent­lich noch wahr? Die­se Fra­ge ist ge­ra­de in Frank­furt nach dem Rea­li­täts­ver­lust, der  beim ehe­ma­li­gen Ober­bür­ger­meis­ter Pe­ter Feld­mann zu er­ken­nen war, si­cher ak­tu­el­ler denn je.

Viel­leicht lie­ge ich aber auch ganz falsch. Viel­leicht ha­ben die Igno­ran­ten eine ganz be­son­de­re Agen­da: Viel­leicht kon­zen­trie­ren sie sich le­dig­lich auf die wich­ti­gen Din­ge? Eine Katzen­schutz­ver­ord­nung könn­te als un­wich­ti­ges Ne­ben­the­ma ein­ge­stuft wer­den in ei­ner Zeit, in der uns Co­ro­na ge­ra­de et­was ver­schnau­fen lässt, Pu­tin für welt­wei­tes Ent­set­zen sorgt und die Stadt Frank­furt si­cher mehr als nur eine Hand­voll drän­gen­der The­men be­han­deln muss.

Wur­de Si­ri­kits An­fra­ge also even­tu­ell zu Recht ignoriert?

Tierwohl ist unwichtig!

Na­tür­lich kann man sich auf den Stand­punkt stel­len, dass es Wich­ti­ge­res als eine Katzen­schutz­ver­ord­nung gibt. Und es gibt Wich­ti­ge­res! Al­ler­dings darf die­se Ein­schät­zung nicht dazu füh­ren, das The­ma zu igno­rie­ren. An­sons­ten wird in Frank­furt nie­mals eine Katzen­schutz­ver­ord­nung be­schlos­sen wer­den — und vie­le an­de­re drän­gen­de The­men wer­den nicht be­han­delt, weil es an­de­res gibt, das will­kür­lich als wich­ti­ger ein­ge­stuft wird.

Das täg­li­che Tier­leid wür­de so al­ler­dings auch wei­ter­hin und  vor al­lem bil­li­gend in Kauf ge­nom­men wer­den — was ja be­reits heu­te im kras­sen Ge­gen­satz zum im Grund­ge­setz ver­an­ker­ten Tier­wohl­ge­dan­ken und dem Tier­schutz­ge­setz stün­de. In ei­ner ver­nunft­ge­steu­er­ten, so­li­da­ri­schen und em­pa­thi­schen Ge­sell­schaft ist das ei­gent­lich undenkbar.

Was auch im­mer die 70 % dazu be­wo­gen ha­ben kann, die­ses The­ma zu igno­rie­ren: Es be­steht der be­grün­de­te Ver­dacht, dass die meis­ten der neu­en Kan­di­da­ten auch in der obers­ten Po­si­ti­on in der Stadt kein Ver­ständ­nis von Tier­wohl ha­ben und ohne Be­den­ken die bis­he­ri­ge Ver­hin­de­rungs­tak­tik der Stadt fort­füh­ren wer­den. Tier­wohl wird von den meis­ten Frank­fur­ter Groß­kop­fer­ten nicht als wich­tig eingestuft.

Stichwahl: FIP oder FIV?

Be­trach­tet man die bei­den ver­blie­be­nen Kan­di­da­ten der CDU und der SPD, dann bleibt un­ter dem Aspekt ei­ner Katzen­schutz­ver­ord­nung für Frank­furt ver­mut­lich die un­an­ge­neh­me Wahl zwi­schen Pest und Cho­le­ra. Die­ser klas­si­sche Ver­gleich klingt nicht sehr nett — also än­de­re ich ihn auf Wahl zwi­schen FIP und FIV. Es ist zu ver­mu­ten, dass die be­trof­fe­nen Kan­di­da­ten da­mit nichts an­fan­gen können.

Kat­zen­schüt­ze­rIn­nen je­doch ken­nen das Elend aus ih­rer täg­li­chen Ar­beit, wenn sie Tie­re in er­bärm­li­chem Ge­sund­heits­zu­stand auf­grund von FIP (Fe­line In­fek­tiö­se Pe­ri­to­ni­tis) und FIV (Fe­line Im­mun­de­fi­zi­enz-Vi­rus, auch Kat­zen-AIDS ge­nannt) ein­fan­gen. Oft ist den Kat­zen nicht mehr zu hel­fen und sie müs­sen ein­ge­schlä­fert wer­den. Die­se Bil­der wer­den die Her­ren Be­cker (CDU) und Jo­sef (SPD) si­cher kennen.

Es be­steht der drin­gen­de Ver­dacht: Egal, wer ge­wählt wer­den wird — für die frei­le­ben­den Kat­zen wird sich nichts ändern.

Großkopferte vs. „kleine“ KandidatInnen

Es ist für Kat­zen­schüt­ze­rIn­nen und Kat­zen kein Trost, dass sich im­mer­hin sechs Kan­di­da­tIn­nen nicht ab­leh­nend zu ei­ner Katzen­schutz­ver­ord­nung ge­äu­ßert ha­ben — denn von die­sen 30 % ist im ers­ten Wahl­gang keine/r über 3,6 % der Stim­men hin­aus­ge­kom­men. Das be­deu­tet: Im Krei­se die­ser Po­li­ti­ker­Innen, die sich dann doch ir­gend­wie mit dem The­ma be­schäf­ti­gen woll­ten, wird nicht über das Tier­wohl in Frank­furt entschieden.

Nein, es wer­den wei­ter­hin die Groß­kop­fer­ten sein, die sol­che The­men un­ter sich aus­ma­chen. Ob SPD oder CDU: Es steht zu ver­mu­ten, dass auch der künf­ti­ge Ober­bür­ger­meis­ter jede In­itia­ti­ve für mehr Kat­zen­schutz blo­ckie­ren wird. Wie das geht, ha­ben bei­de Kan­di­da­ten ja ge­ra­de gezeigt.

Statt wirk­li­cher Hil­fe wird es ein paar Euro für die Tier­hei­me ge­ben, was als Ali­bi ge­gen­über der Öf­fent­lich­keit aus­rei­chen wird. Das wird al­ler­dings nichts an der grund­sätz­li­chen Si­tua­ti­on in Frank­furt än­dern: Frei­le­ben­de Kat­zen lei­den elen­dig und ver­re­cken un­ter Schmer­zen. Pas­siert das un­ter den Au­gen der Stadt? Eher nicht, denn die Ver­ant­wort­lichen schau­en lie­ber weg.

Es ist seit acht Jahren angerichtet!

Der neue Ober­bür­ger­meis­ter wird es leicht ha­ben: Er hat mit der ak­tu­el­len Ord­nungs­amts­lei­te­rin, der lei­ten­den Ma­gis­trats­di­rek­to­rin Ka­rin Mül­ler, eine Speer­spit­ze, die auch ak­tu­ell die üb­li­chen Phra­sen drischt, mit de­nen man in Frank­furt eine Katzen­schutz­ver­ord­nung seit nun­mehr acht Jah­ren er­folg­reich ver­hin­dert hat.

Es ist nicht zu er­war­ten, dass sich durch die Ober­bür­ger­meis­ter­wahl in der hes­si­schen Me­tro­po­le et­was zum Bes­se­ren für die frei­le­ben­den Kat­zen wen­den könn­te. Da­mit das ge­schieht, müss­ten die Ver­ant­wort­lichen es ernst neh­men — ja, es viel­leicht auch erst ein­mal über­haupt wahr neh­men — dass Tier­wohl ein im Grund­ge­setz ver­an­ker­tes Staats­ziel ist.

So­lan­ge aber in Frank­furt vor­ge­scho­be­ne „Frei­hei­ten“ un­ein­sich­ti­ger Kat­zen­hal­te­rIn­nen als wich­ti­ger ein­ge­schätzt wer­den, als das ent­setz­li­che Leid von frei­lau­fen­den Kat­zen, so­lan­ge wird sich in Frank­furt nichts zum Bes­se­ren für die elen­dig frei­le­ben­den Kat­zen be­we­gen. An­de­re Kom­mu­nen sind über die­sen Irr­tum üb­ri­gens längst hinaus.

Hin­sicht­lich die­ses ab­sur­den „Frei­heits­ge­döns“ bin ich ver­sucht, mal ganz an­ders an die Sa­che her­an­zu­ge­hen: Könn­te man nicht den Pos­ten des neu­en Ober­bür­ger­meis­ters gleich an die FDP ab­ge­ben? In Sa­chen Frei­heits­ge­döns sind die doch eh in ei­ner pseu­do-li­be­ra­len Dau­er­schlei­fe! Schlech­ter als CDU und SPD wür­de es die FDP in Sa­chen Kat­zen­schutz ganz be­stimmt nicht machen.

Die Antworten

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Petition für eine Frankfurter Katzenschutzverordnung

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