Natürlich war das ein guter Anlass: Die Frankfurter Oberbürgermeisterwahl am 5. März 2023 bot eine gute Gelegenheit, bei den KandidatInnen nachzufragen, wie sie zu diesem oder jenem Thema stehen. Die engagierte Tierschützerin Sirikit Treiling hat das getan: Sie hat nachgefragt. Sie wollte wissen, wie die Einstellung des künftigen Stadtoberhaupts zu einer Katzenschutzverordnung in Frankfurt ist. Der Hintergrund: Bereits seit acht Jahren wird in Frankfurt eine Katzenschutzverordnung verhindert. Was bei Sirikits Aktion herauskam, fassen wir hier zusammen.
Am 6. Februar 2023 gingen gleichlautende Mails bei den 20 KandidatInnen ein. Hierin wurden sie auf die Situation der freilebenden Katzen und deren Leid sachkundig hingewiesen. Als langjährig Aktive im Bereich der Katzenhilfe weiß Sirikit sehr genau, welche Probleme es in Frankfurt gibt — und sie musste mit ansehen, wie erfolgreich die Stadt seit nunmehr acht Jahren das Problem weitgehend ignoriert hat.
Ihr Anschreiben enthält Hinweise auf die positiven Möglichkeiten, die eine Katzenschutzverordnung birgt: für ehrenamtliche TierschützerInnen, für das Veterinäramt, für die HalterInnen von freilaufenden Katzen und nicht zuletzt für die Stadt Frankfurt selbst. Letztlich schloss die Anfrage mit der Bitte um eine Positionierung:
Würden Sie als Oberbürgermeister:in von Frankfurt den Erlass einer Katzenschutzverordnung vorantreiben?
Nicht-Reaktionen
70 % der Angeschriebenen haben die Anfrage — einfach ignoriert. Das ist ein erschreckend hoher Wert. Aus Erfahrung gehe ich davon aus, dass sich alle KandidatInnen im Wahlkampf so oder ähnlich geäußert haben dürften:
Ich will BürgermeisterIn für alle sein und ich werde den BürgerInnen zuhören.
Fairerweise muss ich festhalten, dass sehr wahrscheinlich niemand jemals etwas von Antworten auf mögliche Fragen gesagt haben dürfte. Und beim Zuhören kann man ja auch mal abschalten …
Wir leben in einer Zeit, in der Politikverdrossenheit zu Recht beklagt wird. Da ist es kein gutes Zeichen für eine Besserung der Beziehungen zwischen PolitikerInnen und BürgerInnen, wenn auf Nachfragen hin nichts kommt. Genau das ist in Sirikits Fall aber größtenteils passiert. Was man daraus ziemlich sicher schließen kann: Es wird so weitergehen mit dem Frust auf Seiten vieler BürgerInnen.
Die Wahlbeteiligung im ersten Wahlgang lag bei 40,4 % — manche empfinden das bereits als hoch (siehe: „Frankfurter Wahlanalysen“). Ich empfinde es als beschämend wenig. Eine noch geringere Beteiligung wird für die Stichwahl nicht ausgeschlossen. Wen überrascht es aber, wenn Nicht-Reaktionen der PolitikerInnen zu Nicht-Reaktionen der potentiellen WählerInnen führen?
Wie kommen wir heraus aus diesem Dilemma? Vielleicht so: Es müssen immer mehr PolitikerInnen damit anfangen, sich anders zu positionieren — eine Nicht-Reaktion auf eine nicht missbräuchliche und sogar begründete Nachfrage sollte, besser: darf nicht vorkommen. Auf diese einfache Art könnten PolitikerInnen der Politikverdrossenheit etwas entgegen setzen.
Zugegeben: Die 30 % der Antwortenden haben ja einen Anfang gemacht. Doch muss ich auch feststellen, ohne die Leistung der Antwortenden schmälern zu wollen: Das waren eben KandidatInnen, die vermutlich davon ausgingen, dass sie sowieso chancenlos waren und nichts zu verlieren hatten.
Die FavoritInnen dagegen — neben diversen ebenfalls ignoranten AußenseiterInnen — empfanden Sirikits Anfrage offenbar nicht als wichtig. Um im Bild zu bleiben: Es nutzt wenig, wenn von 100 Katzen 30 % kastriert sind — man es die anderen aber weiter so treiben lässt wie bisher.
Geantwortet haben:
- Markus Eulig, freier Kandidat
- Andreas Lobenstein, AfD
- Tilo Schwichtenberg, Gartenpartei
- Daniela Mehler-Würzbach, Die Linke
- Mathias Pfeiffer, BFF-BIG-Fraktion
- Yanki Pürsün, FDP
Nicht geantwortet haben:
- Uwe Becker, CDU
- Mike Josef, SPD
- Manuela Rottmann, Die Grünen
- Katharina Tanczos, Die Partei
- Khurrem Akhtar, Team Todenhoefer
- Yamòs Camara, FPF
- Frank Großenbach, Die Basis
- Feng Xu, freier Kandidat
- Karl-Maria Schulte, freier Kandidat
- Maja Wolff, freie Kandidatin
- Niklas Pauli, freier Kandidat
- Peter Pawelski, freier Kandidat
- Peter Wirth, freier Kandidat
- Sven Junghans, freier Kandidat
Was nehmen PolitikerInnen eigentlich noch wahr? Diese Frage ist gerade in Frankfurt nach dem Realitätsverlust, der beim ehemaligen Oberbürgermeister Peter Feldmann zu erkennen war, sicher aktueller denn je.
Vielleicht liege ich aber auch ganz falsch. Vielleicht haben die Ignoranten eine ganz besondere Agenda: Vielleicht konzentrieren sie sich lediglich auf die wichtigen Dinge? Eine Katzenschutzverordnung könnte als unwichtiges Nebenthema eingestuft werden in einer Zeit, in der uns Corona gerade etwas verschnaufen lässt, Putin für weltweites Entsetzen sorgt und die Stadt Frankfurt sicher mehr als nur eine Handvoll drängender Themen behandeln muss.
Wurde Sirikits Anfrage also eventuell zu Recht ignoriert?
Tierwohl ist unwichtig!
Natürlich kann man sich auf den Standpunkt stellen, dass es Wichtigeres als eine Katzenschutzverordnung gibt. Und es gibt Wichtigeres! Allerdings darf diese Einschätzung nicht dazu führen, das Thema zu ignorieren. Ansonsten wird in Frankfurt niemals eine Katzenschutzverordnung beschlossen werden — und viele andere drängende Themen werden nicht behandelt, weil es anderes gibt, das willkürlich als wichtiger eingestuft wird.
Das tägliche Tierleid würde so allerdings auch weiterhin und vor allem billigend in Kauf genommen werden — was ja bereits heute im krassen Gegensatz zum im Grundgesetz verankerten Tierwohlgedanken und dem Tierschutzgesetz stünde. In einer vernunftgesteuerten, solidarischen und empathischen Gesellschaft ist das eigentlich undenkbar.
Was auch immer die 70 % dazu bewogen haben kann, dieses Thema zu ignorieren: Es besteht der begründete Verdacht, dass die meisten der neuen Kandidaten auch in der obersten Position in der Stadt kein Verständnis von Tierwohl haben und ohne Bedenken die bisherige Verhinderungstaktik der Stadt fortführen werden. Tierwohl wird von den meisten Frankfurter Großkopferten nicht als wichtig eingestuft.
Stichwahl: FIP oder FIV?
Betrachtet man die beiden verbliebenen Kandidaten der CDU und der SPD, dann bleibt unter dem Aspekt einer Katzenschutzverordnung für Frankfurt vermutlich die unangenehme Wahl zwischen Pest und Cholera. Dieser klassische Vergleich klingt nicht sehr nett — also ändere ich ihn auf Wahl zwischen FIP und FIV. Es ist zu vermuten, dass die betroffenen Kandidaten damit nichts anfangen können.
KatzenschützerInnen jedoch kennen das Elend aus ihrer täglichen Arbeit, wenn sie Tiere in erbärmlichem Gesundheitszustand aufgrund von FIP (Feline Infektiöse Peritonitis) und FIV (Feline Immundefizienz-Virus, auch Katzen-AIDS genannt) einfangen. Oft ist den Katzen nicht mehr zu helfen und sie müssen eingeschläfert werden. Diese Bilder werden die Herren Becker (CDU) und Josef (SPD) sicher kennen.
Es besteht der dringende Verdacht: Egal, wer gewählt werden wird — für die freilebenden Katzen wird sich nichts ändern.
Großkopferte vs. „kleine“ KandidatInnen
Es ist für KatzenschützerInnen und Katzen kein Trost, dass sich immerhin sechs KandidatInnen nicht ablehnend zu einer Katzenschutzverordnung geäußert haben — denn von diesen 30 % ist im ersten Wahlgang keine/r über 3,6 % der Stimmen hinausgekommen. Das bedeutet: Im Kreise dieser PolitikerInnen, die sich dann doch irgendwie mit dem Thema beschäftigen wollten, wird nicht über das Tierwohl in Frankfurt entschieden.
Nein, es werden weiterhin die Großkopferten sein, die solche Themen unter sich ausmachen. Ob SPD oder CDU: Es steht zu vermuten, dass auch der künftige Oberbürgermeister jede Initiative für mehr Katzenschutz blockieren wird. Wie das geht, haben beide Kandidaten ja gerade gezeigt.
Statt wirklicher Hilfe wird es ein paar Euro für die Tierheime geben, was als Alibi gegenüber der Öffentlichkeit ausreichen wird. Das wird allerdings nichts an der grundsätzlichen Situation in Frankfurt ändern: Freilebende Katzen leiden elendig und verrecken unter Schmerzen. Passiert das unter den Augen der Stadt? Eher nicht, denn die Verantwortlichen schauen lieber weg.
Es ist seit acht Jahren angerichtet!
Der neue Oberbürgermeister wird es leicht haben: Er hat mit der aktuellen Ordnungsamtsleiterin, der leitenden Magistratsdirektorin Karin Müller, eine Speerspitze, die auch aktuell die üblichen Phrasen drischt, mit denen man in Frankfurt eine Katzenschutzverordnung seit nunmehr acht Jahren erfolgreich verhindert hat.
Es ist nicht zu erwarten, dass sich durch die Oberbürgermeisterwahl in der hessischen Metropole etwas zum Besseren für die freilebenden Katzen wenden könnte. Damit das geschieht, müssten die Verantwortlichen es ernst nehmen — ja, es vielleicht auch erst einmal überhaupt wahr nehmen — dass Tierwohl ein im Grundgesetz verankertes Staatsziel ist.
Solange aber in Frankfurt vorgeschobene „Freiheiten“ uneinsichtiger KatzenhalterInnen als wichtiger eingeschätzt werden, als das entsetzliche Leid von freilaufenden Katzen, solange wird sich in Frankfurt nichts zum Besseren für die elendig freilebenden Katzen bewegen. Andere Kommunen sind über diesen Irrtum übrigens längst hinaus.
Hinsichtlich dieses absurden „Freiheitsgedöns“ bin ich versucht, mal ganz anders an die Sache heranzugehen: Könnte man nicht den Posten des neuen Oberbürgermeisters gleich an die FDP abgeben? In Sachen Freiheitsgedöns sind die doch eh in einer pseudo-liberalen Dauerschleife! Schlechter als CDU und SPD würde es die FDP in Sachen Katzenschutz ganz bestimmt nicht machen.